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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an.«
    »Gute Nacht, Herr Pons.«
    »Gute Nacht, Herr Doktor. Und versuchen Sie zu schlafen.«
    Richtig. Nur wie? Er hatte ein paar Schlaftabletten in seinem Necessaire. Draußen im Salon warteten die Suppe und die Spiegeleier. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihm übel.
    Er blieb auf dem Bett sitzen und schloß die Augen. Und da war wieder dieses Rauschen in seinen Ohren, das Gefühl, nichts zu erleben als einen verrückten, unbegreiflichen Traum.
    Angst, nichts weiter als Angst. Sein Puls, der in seinen Schläfen donnerte. Angst! Du mußt dich entspannen. Wo hat die Angst ihren Sitz? In der Hypophyse, wo sonst? Was macht sie? Nimmt nicht nur Eindrücke, nimmt auch Gefühle auf, übersetzt sie in Botenstoffe, sendet ihre Hormon-Kommandos, öffnet die Schleusen des Adrenalins, bis es dir die Kehle zudrückt, dein Herz hochheizt und dein Gehirn überschwemmt, daß du glaubst, verrückt zu werden.
    Als er sich diesmal erhob, drehte sich der ganze Raum um ihn.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn und sackte zurück. Er versuchte es noch mal und holte aus dem Bad die Schlaftabletten …
    Montag
    Tim öffnete die Augen.
    Über ihm wölbte sich mattschimmernde, goldene Seide. Das Bett. Welches Bett? Er schob die Hand über den leeren weißen Platz an seiner Seite. Er schien ihm endlos.
    Es war kein Erwachen, es war ein Schock. Mit der brutalen Gewalt, mit der jemand eine Tür eintritt, brach die Realität über ihn ein.
    Er fuhr hoch, stand auf, rannte taumelnd durch das Schlafzimmer hinüber in den anderen Raum, aus dem ein unangenehmer Pfeifton drang. Das farbige Karo des Fernseh-Standbilds schien ihn anzugrinsen. TVE-2. Die am oberen Rand eingebaute Digitalanzeige stand auf sieben Uhr achtundvierzig.
    Sein Schädel begann zu hämmern. Er mußte sich an dem Apparatgehäuse festhalten, als er abschaltete. Draußen, hinter den hohen Fenstern dehnten sich strahlend blau Meer und Himmel. Auf der Marmorplatte des Tisches hatten sie gestern noch gefrühstückt, Melissa und er … Melissa!
    Heute war ihr Hochzeitstag!
    Er rieb sich die Schläfen: Hochzeitstag? Das Wort ließ sich nicht verdrängen. Wie auch? Wieso nur waren sie hierhergeflogen? Warum, mein Gott! Wenn es dich gibt, dann …
    Das hatte er schon hundertmal gesagt, gedacht, geflüstert, gefleht. Nichts hatte sich geändert …
    Er zog die Vorhänge vor, um den verdammten Tisch und das endlose Meer nicht mehr sehen zu müssen. Ein neues Kapitel in diesem Alptraum, der nicht enden wollte, konnte beginnen.
    Mit Hilfe der kalten Dusche und einer Flasche Mineralwasser brachte sich Tim soweit in Form, daß er einigermaßen klar denken und kontrolliert handeln konnte. Was er jetzt brauchte, war Kaffee – und die Guardia Civil! Diesmal würde er Rigo einheizen. Und außerdem war ein Anruf im Konsulat in Palma fällig. Zu früh? Ja, klar. Diese Brüder rühren doch vor zehn Uhr kein Telefon an …
    Er riß Jeans und Jeanshemd aus dem Schrank, bemühte sich, Melissas Kleider zu übersehen. So still, nutzlos, überflüssig hingen sie hier wie die Kleider einer Toten …
    Hastig schloß er den Schrank und ging zur Tür. Er begann zu rennen, als ein feiner Glockenton anzeigte, daß der Lift auf dem Stockwerk halten würde. Die Türe glitt auf. Zwei Frauen standen in der Kabine, beide im gleichen Schottenrock mit der gleichen dunkelblauen Wetterjacke, den gleichen dicksohligen Wanderschuhen und scheußlichen, storchschnabelroten Kniestrümpfen an den Beinen. Grau die eine, dunkelblond die andere. Mutter und Tochter.
    »Good morning!«
    Er versuchte zu lächeln. Die Frauen blickten ungerührt an ihm vorbei. Er drehte sich um und war froh, als die Tür wieder aufging und das vertraute Bild der Halle freigab.
    Pons …? Dort stand er im Gespräch mit einem Pagen. Auch der lange Martinez war zu sehen. In der Halle herrschte Betrieb. Eine ganze Gruppe Ausflügler drängte der grüngoldenen Helligkeit dort draußen entgegen.
    Ein neuer, verfluchter Tag im Paradies konnte beginnen!
    Pons ließ den Mann in der Hoteluniform stehen und kam auf ihn zu: »Herr Doktor! Gut, daß Sie schon da sind. Wir brauchen eine Fotografie Ihrer Frau.«
    »Wir?« Tim fühlte, wie sich der Druck in seinem Schädel verstärkte.
    »Nun, die Gäste sollten befragt werden, ob jemand sie gestern noch gesehen hat. Doch wie? Man kennt Ihre Frau ja nicht im Hotel. Der Zimmerkellner, mein Kollege Martinez und ich sind so ziemlich die einzigen Menschen, mit denen sie gesprochen hat. Wir

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