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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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flimmerten, die lange, gestreckte Libellenform hing über einem Dach, das aus den üblichen alterspatinierten Mönchs- und Nonnenziegeln bestand. Tim würde sich später noch an jede dieser Sekunden erinnern, selbst daran, daß vier Fernsehantennen auf diesem Haus montiert waren.
    »Na schön, Doktor! Da kommt meine Kutsche. Bis später! Sie können mich ja in Pollensa anrufen.«
    »Einen Scheiß werd' ich tun!«
    Rigo konnte es sich leisten, mit Worten sparsam umzugehen. Es genügte, wenn er die Brauen hochzog. »Sie haben drüben einen Patienten, Doktor, wenn ich das recht verstehe.«
    »Das verstehen Sie richtig. Aber der Patient steht einiges durch. Den kenne ich. Ich komme mit Ihnen!«
    Das hörte Rigo gar nicht, denn er war gerade dabei, in seinen Landrover zu klettern. Es war jetzt genau siebzehn Uhr zwanzig. Und Tim war nicht bereit, Rigo und den Wagen abfahren zu sehen, zumindest nicht ohne ihn. Und da ihm nichts anderes einfiel, um es zu verhindern, griff er nach Rigos Uniformgürtel und zog daran.
    Nun drehte der Brigada doch den Kopf, etwas wie Verblüffung im Gesicht. »Was soll denn das?«
    »Nichts. Nur, daß ich mitkomme.«
    »So, mitkommen? Wohin denn?«
    Tim deutete unbestimmt mit dem Kinn zu den Dächern hoch. Der Hubschrauber war verschwunden, nur das helle Pfeifen der Turbine hing noch in der Luft. Er schien bei der Landung.
    »Damit komme ich mit«, sagte Tim. »Wo ist er denn jetzt?«
    »Auf dem Sportplatz. Und Sie gehen ins Café. Ist das klar?«
    »Von wegen! Nichts ist klar.« Das stimmte. Für Tim Tannert gab es in dieser Sekunde nur eine einzige Realität, die ihn beherrschte: den Willen, koste es, was es wolle, dabei zu sein, wenn Verrückte, egal welcher Sorte, Melissa in Gefahr brachten. Wobei noch nicht einmal geklärt war, ob Melissa nicht selbst zu den Verrückten zu rechnen war. Aber auch dann …
    Er hatte die Türe bereits aufgerissen und sich auf den Rücksitz des Landrovers geschwungen.
    »Moment mal!« Rigo drehte sich um, die dunklen Augen blitzten warnend. »Doktor, ich bin nicht der Spaßvogel, für den Sie mich anscheinend halten.«
    »Ich auch nicht.«
    »Na schön. Dann raus.«
    »Hören Sie, Rigo, ich kann Ihnen doch helfen. Wer weiß, was passiert … Schließlich bin ich Arzt … Und dies ist auch nicht mein erster Hubschraubereinsatz. Als Notarzt in Essen bin ich ständig in diesen Dingern herumgeschwirrt. Ich flieg' also mit. Seien Sie vernünftig.«
    »Vernünftig? Ich?!«
    »Nein, seien Sie nett, seien Sie lieb, seien Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie mich mit, Herrgott noch mal!«
    Rigo nickte mit dem Kopf seinem Fahrer zu: »Na, los schon, Tonio, fahr zu!« Und dann sagte er noch etwas: »Ich weiß einfach nicht, woran das liegt, Tonio«, sagte der Brigada Pablo Rigo, »warum muß so was immer nur mir passieren? Ich bin wie Fliegenpapier. Jeder Schwachsinnige, jeder Irre klebt an mir und macht mir das Leben sauer.«
    Der Pilot hatte die Turbine nicht abgestellt, leise fauchend drehten sich die Flügel des Helikopters im Leerlauf, als sie aus dem Landrover sprangen.
    Rigo sah Tim kurz an, dann machte er eine entschlossene Kinnbewegung zum Hubschrauber hinüber: »Na, los schon! Und ziehen Sie den Kopf ein.«
    »Brauchen Sie mir nicht zu sagen.«
    Sie liefen die ersten Schritte nebeneinander. Dann blieb Rigo stehen, winkte zu dem Wagen hinüber. Tim sah, wie der Fahrer heraussprang und nun, eine Maschinenpistole und ein paar Magazine in der Hand, herbeigerannt kam.
    »Hätte ich beinahe vergessen«, knurrte Rigo. »Normalerweise haben sie das Zeug an Bord. Aber du weißt ja nie …«
    Die seitliche Kabinenwand war für den Einstieg geöffnet. Die beiden Männer, die nebeneinander vor der Konsole der großen Maschine saßen, trugen Uniformen und orangene Helme auf dem Kopf. Der Pilot prüfte seine Anzeigen, grinste kurz, während sein Kollege in das Mikrofon sprach.
    »Los schon, Doktor, Sie zuerst! Den Platz dort neben der Seilwinde.«
    Tim nickte nur. Es war wahr. Er kannte dies alles, selbst den Geruch, das Turbinensingen, das sich dem Körper mitzuteilen schien, und nun das jähe, fahrstuhlähnliche Aufwärtssausen. Er hatte sich angegurtet, und durch das Glas der Kanzel sah er eine Burg, alte Mauern, die kleinen Häuser und Straßen … Hinter ihnen blieb Fischers Besitz, und vor ihnen weitete sich nun, von der Sonne mit ungezählten Reflexen geschmückt, das Waschbrettmuster der Wellen …
    Wie lange waren sie nun schon in der Luft? Tim wußte es nicht.

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