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Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Sie waren alle Anfang dreißig und trugen Wams, Strumpfhosen und weiße Hemden mit sauberen, gestärkten Stehkragen. Sie sahen adrett und ordentlich aus, und alle trugen den Kanzleiring an der linken Hand. Athelstan entsann sich, daß die Kanzlei stets nur die Besten aus den Hallen von Oxford und Cambridge anzuwerben pflegte, junge Männer aus guten Familien. Einige wurden dann Kirchenmänner, während andere, sofern sie die Gunst des Königs gewannen, zu Sheriffs, Gerichtsbeamten oder Königlichen Bevollmächtigten aufstiegen.
    Lesures machte sie bekannt. William Ollerton, klein und stämmig, das glattrasierte Gesicht von einer Narbe entstellt, die von der Nase zum Mund führte. Sein dunkles Haar war sorgsam eingeölt, und er trug einen Ohrring an einem Ohrläppchen. Ein rechter Stutzer, dachte Athelstan. Robert Elflain war lang und dünn wie ein Speerschaft; sein arrogantes Gesicht war geringschätzig in Falten gelegt, und seine Augen blickten wachsam. Thomas Napham war groß, breit und pausbäckig. Er war nicht so säuberlich frisiert und wirkte nervös, als sei er eifrig darauf bedacht, zu gefallen. Schließlich Andrew Alcest, anscheinend der Anführer der Gruppe: von lockerer Haltung und ziemlich mädchenhaft mit seinem glatthäutigen Gesicht und den großen runden Augen. Dennoch spürte Athelstan bei ihm eine gewisse Bosheit: Hier war ein Mann, der trotz seines unschuldigen Aussehens zum Ränkeschmieden neigte wie eine Katze zum Mausen.
    Die Schreiber reichten Sir John und Athelstan die Hand und traten dann beiseite. Die junge Frau, die sie umdrängt hatten, saß immer noch auf dem Stuhl und stützte das Kinn auf den Handballen. Tränenreich lächelte sie Cranston an, der turmhoch über ihr aufragte. Athelstan bemerkte, wie anziehend ihr Gesicht aussah — nicht schön, aber hübsch mit den großen grauen Augen und dem süßen Mund, reizvoll trotz der Tränen, die ihr über die Wangen rollten. Sie sah müde aus. Kastanienbraune Haarsträhnen lugten unter ihrer Wollhaube hervor. Athelstan sah die Schlammspuren an ihrem grauen Mantel, der über der Stuhllehne hing. Ihr Mieder und das hochgeschlossene Kleid waren zerknüllt und staubig wie nach einer Reise. Sie trug einen Ring am Finger und ein silbernes Kreuz an einer Kette um den Hals, aber das war ihr einziger Schmuck. Der Ordensbruder war fasziniert von ihren Fingern, die lang und schlank waren. Er bemerkte die Einkerbungen an den Nägeln und fragte sich, ob sie wohl als Stickerin oder Näherin arbeitete. Cranston starrte weiter glückselig auf sie herab, bis die junge Frau einigermaßen verstört blinzelte und sich hilfesuchend Athelstan zuwandte.
    »Sir John Cranston, Mistress«, erklärte Athelstan. »Der Coroner der Stadt. Wir sind hier, um die Morde an Luke Peslep und Edwin Chapler zu untersuchen.«
    »Gut!« rief die Frau, und ihre Miene verhärtete sich. Sie erhob sich, ergriff Cranstons Hand und küßte sie, ehe er sie daran hindern konnte. »Ich bin Edwins Schwester, Alison Chapler. Ich habe die Nachricht soeben bekommen, Sir John. Ich verlange Rache und Gerechtigkeit für den Mord an meinem Bruder.«
     

 
     
    Sir John ließ die Hand der jungen Frau los.
    »Setzt Euch, Mistress«, sagte er leise und trat ein paar Schritte zurück.
    Athelstan schloß die Augen, als er das unterdrückte Gekicher der Schreiber hörte. Bei Cranston machte sich der schwere Rotwein jetzt in seiner ganzen Kraft bemerkbar; leutselig schaute der Coroner in die Runde.
    »Ihr alle, Ihr Herren, setzt Euch jetzt hierher an den Tisch.« Er nahm selbst am Kopfende Platz und gab Athelstan fingerschnippend zu verstehen, er solle sich neben ihm auf einen Schemel setzen. »So«, begann er, als die Schreiber zu beiden Seiten Platz genommen hatten. »Ja, ja, eine schöne Schweinerei — zwei königliche Schreiber, schrecklich ermordet...« Er wackelte mit seinem stumpfen Finger. »Und Ihr wißt, was man sagen wird, nicht wahr?«
    »Ihr seid wohl nicht nur Coroner, sondern auch Prophet?« platzte Elflain heraus und grinste seine Kollegen unterstützungheischend an.
    »Nein, Sir, ich bin ein Beamter des Königs«, raunzte Cranston, und in Gesicht und Stimme war von Müdigkeit keine Spur mehr. »Der Mord an einem königlichen Schreiber ist Hochverrat. Die Strafe dafür ist folgende: Der Täter wird halb aufgehängt, ausgeweidet, abgeschnitten und gevierteilt.«
    Die Schreiber hörten jetzt aufmerksamer zu.
    »Gut«, schnurrte Cranston. »Jetzt, da wir Eure Aufmerksamkeit haben, wollen

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