Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
Vom Netzwerk:
murmelte eine Entschuldigung und ging dann vor ihnen her, am Byward Tower vorbei. Am Wakefield bogen sie nach links, und durch eine weitere Festungsmauer gelangten sie auf das Tower Green. Der größte Teil der Garnison war hier versammelt, Soldaten lagen im Gras, ihre Frauen standen an den Waschbottichen, und die Kinder kletterten auf Katapulten, Rammböcken, Steinschleudern, mächtigen, eisenbeschlagenen Karren und anderen Kriegsmaschinen herum. Rechts erhob sich der massige Fachwerkbau des Palas mit seinen Anbauten. Hier übergab sie ein Wachsoldat an einen schniefenden, rotnasigen Knecht, der sie in den Palas führte. Cranston tätschelte die beiden rauhhaarigen Jagdhunde, die in den schmutzigen Binsen herumschnüffelten. Der eine ließ sich von dieser Freundlichkeit hinreißen und wollte schon sein Bein an Sir Johns Stiefel heben, rannte aber knurrend davon, als der Coroner ihm einen Tritt versetzte.
    Die Halle selbst war ein düsterer Gewölbesaal mit einem schmutzigen Steinboden und rauchgeschwärzten, dicken Deckenbalken. An der hinteren Wand befand sich ein Kamin, breit und hoch genug, um einen Ochsen zu braten. Das Mittagessen war eben zu Ende, und die Küchenjungen räumten die Tische zu beiden Seiten der Halle ab und warfen Zinnbecher und Holzteller in einen Zuber mit fettigem Wasser, den sie auf einem Rädergestell umherschoben.
    Vor dem Kamin stand eine Gruppe von Männern. Der Knecht lief zu ihnen hinüber. Einer der Männer, hochgewachsen und langgliedrig, rothaarig und mit rosigen Lidern, kam herübergeschlendert, die Daumen hinter den breiten Ledergurt gehakt. Er lächelte gezwungen, als er Cranston und Athelstan erkannte.
    »Guten Tag, Ihr Herren.«
    »Master Colebrooke, nicht wahr?« fragte Athelstan und trat vor, um dem Mann die Hand zu schütteln.
    »Ebender, jetzt Constable des Tower.« Gilbert Colebrooke spreizte sich. »Was verschafft mir diese Ehre?«
    »Alcest«, sagte Cranston kurz. »Ein Schreiber der Kanzlei vom Grünen Wachs. Er hat hier Zuflucht gesucht.«
    »Oh ja, das hat er.« Colebrooke kratzte sich am Kinn. »Eine Heidenangst hat er gehabt und hier auf seine Rechte gepocht. Ich habe ihm eine Kammer oben im Wakefield Tower gegeben. Worum handelt es sich denn, Sir John?«
    »Sir, Ihr solltet wissen, daß Ihr danach nicht zu fragen braucht, und ich weiß, daß ich darauf nicht antworten werde. Ich will den Mann auf der Stelle sehen.«
    Colebrooke verzog das Gesicht. »Sir John, Ihr kennt das Kriegsrecht. Der Tower ist mir unmittelbar unterstellt. Ein königlicher Beamter, der hier Zuflucht sucht, steht unter meinem Schutz.«
    »Selbstverständlich könnt Ihr zugegen sein, Master Gilbert, wenn wir ihn befragen.« Cranston lächelte. »Trotzdem will ich ihn jetzt sehen. Ich kann allerdings auch mit dem nächstbesten Kahn zum Savoy-Palast fahren und Seiner Gnaden, dem Regenten, mitteilen, daß ich außerstande bin, seine Befehle auszuführen — zumindest im Tower.«
    Colebrooke wäre fast im Laufschritt hinausgeeilt. Kurz darauf kam er zurück, gefolgt von Alcest, und führte Sir John und Athelstan durch einen Korridor in eine kleine, weißgekälkte Kammer.
    Athelstan musterte Alcest aufmerksam. Der Schreiber war schmutzig und zerzaust und sah aus, als habe er nicht geschlafen. Oben in seiner rechten Wange zuckte ein kleiner Muskel. Cranston winkte ihn zu einem Schemel, während Colebrooke die Tür zuschlug und sich mit dem Rücken dagegenlehnte.
    »Findet Ihr es geruhsam hier, Master Alcest?« fragte Cranston.
    »Ja.« Der junge Mann rieb sich die Augen.
    »Ihr seid gestern am späten Abend hergekommen?« fragte Athelstan.
    »Ich mußte noch meine Sachen holen, aber, jawohl, ich bin gekommen, kurz bevor die Tore geschlossen wurden.«
    »Wart Ihr noch in Southwark?«
    Alcest schüttelte den Kopf.
    »Bestimmt nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, murmelte Alcest.
    »Wir auch nicht«, erwiderte Athelstan. »Denn, Sir, Ihr seid ein Lügner. Euer Freudenmädchen Clarice hat uns erzählt, daß Ihr in der Nacht, als Chapler ermordet wurde, nicht die ganze Nacht bei ihr geschlafen habt. Ihr seid fortgegangen und zurückgekommen.«
    »Ich...«
    »Was?« drängte Athelstan. »Wollt Ihr gestehen, daß Ihr ihr ein Schlafmittel in den Wein getan habt, den sie nicht getrunken hat? Scharfe Augen, scharfer Verstand — das ist Mistress Clarice. Wo seid Ihr gewesen?«
    Alcest fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schaute sich verstohlen um, als suche er ein Schlupfloch.
    »Wo seid Ihr gewesen?«

Weitere Kostenlose Bücher