Tödliches Rätsel
tun?«
»Nun, du kannst es beim Bürgermeister beantragen, beim Sheriff oder bei der Gemeinde von London.«
»Ja, ja, Sir John, aber Ihr kennt mich, wie der gute Hirte die schwarzen Schafe seiner Herde kennt. Wohin kann ich also sonst noch gehen?«
»Du könntest dich an die Kanzlei wenden, aber solche Urkunden werden für gewöhnlich nur auf Geheiß des Kanzlers ausgestellt.«
»Und das dauert«, sagte der Vikar der Hölle. »Also tun wir Folgendes, Sir John. Wir nehmen den Namen eines Toten an. Dann veranlassen wir einen Schreiber wie Alcest, sich in unserem Namen an den Kanzler zu wenden...«
»Ganz recht«, unterbrach Cranston. »Und wenn der Antrag mit der Empfehlung eines Schreibers eingereicht wird, wird er auch genehmigt, und es gibt keine Verzögerungen.«
»So ist es, Sir John.«
»Wenn also Philip Stablegate das Land mit einer beträchtlichen Summe in Silber verlassen möchte, geht er zu Alcest.« Athelstan trat hinzu. »Der Schreiber sucht die Akten durch und findet den Namen eines längst Verstorbenen. Nennen wir ihn Richard Martlew. Es wird ein Antrag an den Kanzler gestellt, und der wird ihn sicher genehmigen, denn es liegt eine Empfehlung vor. Alcest wird die Antwort des Kanzlers gar nicht erst abwarten, sondern gleich das Dokument aufsetzen, Master Lesures besiegelt es, und der Paß wird ausgestellt. Gefälschte Siegel kommen gar nicht ins Spiel.«
»Kurz und bündig: Jawohl«, sagte Cranston. »Nehmen wir nun an, dieser Martlew beschließt, England über einen der Cinque Ports zu verlassen. Der zuständige Hafenmeister kann wahrscheinlich nicht einmal lesen. Es kümmert ihn einen Dreck, ob Martlew in Wirklichkeit Stablegate ist, aber er hat gelernt, das Siegel zu prüfen. Ein falsches Siegel ist leicht entdeckt, aber wenn es echt ist, fällt ihm im Traum nicht ein, den Mann aufzuhalten.«
»Werden keine Aufzeichnungen geführt?« wollte Athelstan wissen. »Ich meine, über den Antrag an sich und über die Genehmigung durch den Kanzler? Und was passiert, wenn jemand beweisen kann, daß Richard Martlew schon lange tot ist?«
Der Vikar der Hölle klatschte in die Hände, und seine Ketten klirrten. »Was sollte das denn nützen, Bruder? Siehst du nicht, wie gerissen dieser Plan ist? Es war doch die Kanzlei, die das Dokument schreiben ließ, nicht Alcest oder Lesures. Außerdem konnte Alcest mühelos nachweisen, daß er glaubte, es handele sich tatsächlich um Martlew. Nicht im Traum habe er auf den Gedanken kommen können, daß da etwas nicht stimmte. Er bekam ja nur einen Antrag, den er befürwortete und an den Kanzler weiterleitete. Solche Anträge werden niemals abgelehnt: Paß, Lizenz oder Urkunde werden aufgesetzt und besiegelt. Das hat Alcest getan. Und wer würde ihn verraten? Wer es täte, unterschriebe damit sein eigenes Todesurteil!«
»Aber halt! Sicher gibt es doch eine Diskrepanz, was das Datum angeht«, wandte Athelstan ein. »Ich meine, das Dokument wird ja beinahe auf der Stelle ausgestellt.«
»Nein, Bruder«, sagte Cranston. »Ich verstehe jetzt, was unser guter Freund meint, wenn er von einem Schlupfloch redet. Angenommen, du stellst beim Kanzler einen Antrag auf eine Reise nach Calais: Du reichst den Antrag über Alcest ein, er befürwortet ihn oder er tut es nicht. Und er stellt sicher, daß der Antrag mit dem falschen Datum, vielleicht um zehn Tage verschoben, an den Kanzler geleitet wird. Der Kanzler sieht es nicht, irgendein Schreiber in seinem Amt schreibt einfach >genehmigt oder das lateinische placet auf das Dokument, und es wird zurückgeschickt. Unterdessen hat Alcest die Lizenz aufgesetzt und vielleicht noch zwei Tage hinzugefügt. So kommt es, daß ein Antrag, der aussieht, als sei er am zehnten August gestellt und, sagen wir, am zweiundzwanzigsten genehmigt worden, in Wirklichkeit nur einen oder zwei Tage gebraucht hat. Das ist schon vorgekommen; jeder mißbraucht das System. Alcest aber hat nicht nur Pennys genommen, wie es andere Schreiber tun, wenn sie einen Antrag befürworten: Er hat wissentlich dafür gesorgt, daß Gesetzlose, Verfemte und Fälscher Pässe und Dokumente ausgestellt bekamen. Das würden die meisten Schreiber sicher nicht wagen. Alcest hat es getan.«
»Und das war der Quell ihres Wohlstandes?«
»Natürlich!« Der Vikar der Hölle lachte. »Und niemand hat gewagt, Alcest zu verraten. Zum ersten Mal, Bruder, konnten Leute wie ich ungehindert und unter dem Schutz des Gesetzes umherreisen — dank ihm.«
Er sah Sir John an und rasselte
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