Tödliches Rendezvous - Maxian, B: Tödliches Rendezvous
die verzweifelt auf der Suche nach einer Geschichte war, die sie nach oben bringen würde.
Er konnte ja mal bei der Polizei anrufen, einen anonymen Zeugen mimen und hoffen, dass der Polizist am anderen Ende der Leitung etwas ausplaudern würde. Er dachte eine Weile darüber nach, welche Lügengeschichte er ihnen auftischen sollte. Er hasste es, seine Abläufe ändern zu müssen. Abläufe mussten immer gleich sein, sonst passierten Fehler.
Dann kam ihm eine Idee.
Er würde in der Redaktion anrufen, sie verlangen und mit ihr plaudern, ihr klarmachen, dass es ungesund sein konnte, sich in fremde Angelegenheiten einzumischen. Er griff noch einmal nach der Zeitung. Am Ende des Artikels wurden die Leser aufgefordert, sich mit sachdienlichen Hinweisen an die nächste Polizeidienststelle oder an die Redaktion zu wenden. Das konnte sie gern haben. Auch wenn das Telefonat etwas anders verlaufen würde, als sie sich das wünschte.
Albo würde auch in Zukunft seine Liste abarbeiten, nur hatten sich soeben die Spielregeln geändert. Seine Liste wurde um einen Namen erweitert.
Er verließ seine Wohnung, suchte eine öffentliche Telefonzelle auf und griff zum Telefon.
*
Sarah stand am Würstelstand ums Eck von der Redaktion. Immer wenn sie nervös war, musste sie etwas essen. Etwas Handfestes. Nichts Gesundes. Käsekrainer mit Ketchup und Mayonnaise. Dazu ein Cola.
Etwas, wovon sie garantiert Sodbrennen bekommen würde. Aber Fast Food war genau das, was sie im Moment brauchte, um ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Genießen war nicht drin, Nerven beruhigen mit Kalorien war angesagt. Auf dem Weg zurück konnte sie ja in die Apotheke gehen und Magentabletten kaufen.
Ihre Mutter hatte jedes Mal Essen zubereitet, wenn sie und Chris traurig, überreizt oder überarbeitet waren. » Esst, Kinder, der Körper braucht Kraft«, hatte sie dann gesagt und einen Topf Pasta gekocht, und ihr Vater hatte gelacht: » Italiener. Ihr löst alle Probleme mit Essen.«
Wie sehr ihr die Eltern fehlten. Auch drei Jahre nach ihrem Tod war der Schmerz allgegenwärtig. Die Sehnsucht nach ihrer Familie, wie sie einmal war – selbstlose Liebe und tröstende Umarmungen in den richtigen Momenten –, verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Ob das jemals aufhören würde?
Katharina Mohns Tod hatte sie sehr mitgenommen. Noch mehr als Hilde Jahns Tod. Sie musste unbedingt heute noch mit Sabine Bender sprechen. Plötzlich überkam sie ein Gefühl der Wut. Warum hatten sie und Katharina Mohn ihr nicht mehr erzählt? Vielleicht wäre sie dann schon viel weiter mit ihren Recherchen, und die ehemalige Kellnerin würde noch leben.
Prostitution. Damit hatte sie sich in ihrem Leben noch nicht auseinandergesetzt. Nicht einmal den geringsten Gedanken daran hatte sie verschwendet. Aber jetzt, wo sie eine kannte, die als Hure gearbeitet hatte, überlegte sie das erste Mal, wie es Frauen zumute war, die in diesem Geschäft arbeiteten. Sie vermutete, dass die Männer selten hübsch, sympathisch oder zumindest ansehnlich waren. Männer, die weibliche Körper womöglich mit dreckigen oder feuchten Händen anfassten, nach Schweiß stanken und ihnen schlechten Atem ins Gesicht hauchten.
Natürlich sah man, wenn man den Wiener Gürtel entlangfuhr, diverse einschlägige Lokale, und nachts boten Frauen ihre Körper an allen möglichen Plätzen in der Stadt an. Man registrierte dies und vergaß es wieder. Was geht in einer Frau vor, wenn sie mit Männern schläft, um die Heizung, die Wohnung, das Leben bezahlen zu können? fragte Sarah sich. Davon ging sie bei Katharina Mohn einmal aus. Ist es demütigend oder kann man sich daran gewöhnen?
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Ansicht war, dass man diesen Beruf in den Heiligenstand erheben sollte. Wer weiß, wie viele Vergewaltigungen es noch geben würde, wenn es keine Huren gäbe? Konnte man das eigentlich so im Zusammenhang betrachten? Egal. Die Leute sollten endlich aufhören, darüber die Nase zu rümpfen. Ihre Meinung war, dass diese Frauen eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft übernahmen. Vielleicht würde es sich eines Tages ergeben, mit einer aus dem Milieu zu reden.
Ihr Handy läutete. Sie kramte es aus ihrer Handtasche hervor. Auf dem Display erschien die Nummer der Redaktion. Sie hob ab.
» Was gibt’s?«
Die Stimme einer der Vorzimmerdamen ertönte. » Da ist ein Mann dran, der dich sprechen will.«
» Wer ist es?«
» Keine Ahnung. Er will die Journalistin, die den Artikel über die Frauenmorde
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