Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
habe. Warum, Jill?«
Sie schob Mikes Arm beiseite und sah ihn an. »Es gibt Leute in der Bibliothek - sowohl unter den Angestellten als auch im Kuratorium -, die Tina nicht trauten. Alex weiß das. Mr McKinney hat im Laufe seiner Ermittlungen mit vielen von ihnen gesprochen. Ich habe Tina die ganze Zeit in Schutz genommen. Und dann zeigen Sie mir das hier«, sagte Jill und nahm das Papier vom Tresen. »Ich hatte gehofft, dass mir diese Handschrift nie wieder in einer meiner Bibliotheken unterkommt.«
»Wer hat das Ihrer Meinung nach geschrieben?«
»Ein Mann namens Eddy Forbes. Der Name sagt Ihnen vermutlich nichts.«
»Der Kartendieb«, sagte Mike. Alger Herrick hatte am Vortag über Forbes gesprochen und gesagt, Forbes sei aus dem Gefängnis entlassen worden und in irgendwelche Machenschaften mit Minerva Hunt involviert.
»Der fleißigste Kartendieb, mit dem wir es je zu tun hatten. Ein Großteil der Diebstähle ereignete sich in der Beinecke Library in New Haven, während ich
dort Direktorin war«, sagte Jill und ließ den Kopf hängen.
»Man hat Sie für die Sicherheitslücken verantwortlich gemacht?«, fragte Mercer.
»Einige ja. Manche haben noch Schlimmeres unterstellt.«
»Dass Sie die Erträge aus seinen Diebstählen mit ihm geteilt haben?«
»Ja, Alex. Ich habe diese Schlacht einmal gekämpft und gewonnen. Zum Glück hatte ich unter den Kuratoriumsmitgliedern hier in New York Freunde, die an mich glaubten und mich wieder hier arbeiten ließen. Sollte sich herausstellen, dass Eddy Forbes die Absicht hatte, Tina - und vielleicht noch andere Mitarbeiter der Bibliothek - für seine Ziele einzuspannen, wird das nicht noch einmal der Fall sein.«
»Ich dachte, er wäre auf Landkarten spezialisiert«, sagte ich. »Ich sehe da keinen Zusammenhang mit Alice und ihren unterirdischen Abenteuern.«
»Falls Forbes seine Hände im Spiel hat, können Sie darauf wetten, dass es um eine Karte geht.«
»War Tina in der Lage, eine Unterschrift zu fälschen?«
»Wahrscheinlich. Durch die digitalen Techniken sind Kopien oder gar Fälschungen heutzutage sehr viel leichter herzustellen. Das kann praktisch jeder - und jemand mit Tinas künstlerischer Begabung sowieso.«
»Warum hat Pat McKinney mir - oder vielmehr dem Bezirksstaatsanwalt - gegenüber behauptet, Tina Barr sei eine Fälscherin und Diebin?«
»Seit ich hier bin, gab es wahrlich nicht viele Themen, bei denen Minerva Hunt und ihr Bruder Talbot einer Meinung waren. Aber beide haben Tina in den
letzten Monaten vor dem Präsidenten der Bibliothek bezichtigt, Gegenstände aus der Familiensammlung gestohlen zu haben.« Jill Gibson wandte sich in Richtung Ausgang. »Ich habe, offen gesagt, nicht eine Sekunde daran geglaubt, bis ich diesen Bestellzettel sah und die Verbindung zwischen Tina und Eddy Forbes herstellte.«
Mercer schritt den Raum der Länge nach ab, wobei er unter die Tische blickte und die Bücher an den Wänden inspizierte.
Jurij folgte ihm wie ein kleinerer, gedrungener Schatten, der sein Terrain verteidigt.
In einer Ecke auf der gegenüberliegenden Seite des Raums befand sich eine schmale Öffnung.
»Wo geht’s da hin?«, fragte Mercer.
»Nirgendwohin. Speicher. Nur Lüftung für das Gebäude«, sagte Jurij.
»Ist dort oben ein Ausgang?«
»Ist nichts, ich habe doch gesagt.«
Jill Gibson winkte ab. »Dort ist nichts. Außer den Technikern darf niemand auf den Speicher. Die Öffentlichkeit hat keinen Zugang.«
»Aber gibt es dort einen Ausgang aus der Bibliothek?«, fragte Mercer.
Jurij begann zu stottern. Er war von massiger Statur und ging mit schwerfälligen Bewegungen, wobei er seine dicken Arme schwenkte. »Sie - Sie wollen sehen? Ist nur Dach.«
Mercer trat zur Seite, um Jurij vorzulassen, und wir folgten ihm. In dem kleinen dunklen Raum hinter dem Lesesaal befand sich nur ein enger Aufzugskäfig, in den wir uns alle hineinzwängten. Binnen fünfzehn Sekunden erreichten wir den Dachboden, oder vielmehr die Dachsparren der Bibliothek.
»Vorsicht, Miss«, sagte Jurij und zeigte auf den Steg. »Nicht rutschen.«
Der Raum war erstaunlich sauber und großzügig, mit riesigen Stahlrohren für die Frischluftzirkulation im Gebäude.
Ich hielt mich an dem Holzgeländer fest, als Jurij uns auf dem offenen Laufgang über eine schmale Leiter zu einer kleinen Luke führte. Mercer kletterte hinter ihm nach oben und verschwand für ein paar Sekunden nach draußen, bevor er zurückkam.
»Was ist hinter der Tür?«, fragte Mike.
»Kein
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