Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy

Titel: Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
hier. Die Gesamtkarte hat die Maße ein Meter vierzig auf zwei Meter fünfzig. Ein außergewöhnliches Meisterwerk.«
    »Wer hat sie gezeichnet?«, fragte ich. »Was ist das Besondere an ihr?«
    »Der Urheber war Martin Waldseemüller, ein deutscher Kartograf, der sein Leben in Saint-Dié in Frankreich verbrachte und dort einem kleinen Gelehrtenzirkel angehörte. Bis zur Veröffentlichung dieser Karte im Jahr 1507 basierte Europas Wissen über die Weltgeografie ausschließlich auf dem von Ptolemäus aus dem zweiten Jahrhundert überlieferten Weltbild. Diese Karte hier«, sagte Bea und tippte mit ihrem behandschuhten Finger auf den Tisch, »hat diese Weltsicht radikal verändert.«
    »Inwiefern?«, fragte Mike.
    »Überlegen Sie doch mal, Detective. Die Spanier und Portugiesen kehrten im späten fünfzehnten Jahrhundert immer wieder mit dramatischen Neuigkeiten von ihren zahlreichen Entdeckungsreisen entlang der afrikanischen Küste und über den Atlantik zurück, wo zuvor noch kein Europäer gewesen war. Uns mag diese Karte unglaublich akkurat erscheinen, aber unter Waldseemüllers Zeitgenossen hat sie hitzige Debatten ausgelöst, weil sie die Vorstellung von der Welt revolutionierte.«
    »Warum?«
    »Es war das erste Dokument überhaupt, das die
westliche Hemisphäre zwischen zwei Ozeanen zeigte. Die erste Karte, die den Pazifik als eine eigenständige Wassermasse abbildete und der Neuen Welt einen Namen gab: ›America‹. Das waren damals völlig radikale Vorstellungen.«
    Mercer beugte sich über den Tisch und studierte die feine Schrift auf dem Holzschnitt. »Nach der ptolemäischen Auffassung erstreckte sich der Atlantik von Europa bis nach Japan, China und Indien, mit einigen weißen Flecken auf der Karte.«
    »Ganz genau«, sagte Bea.
    »Was war mit Kolumbus?«, fragte Mike. »Er war vor Vespucci hier. Warum hat man die ganze Chose nicht nach Cristoforo statt Amerigo benannt?«
    »Das ist auch ein Grund, warum diese Karte so umstritten war. Beide Männer unternahmen mehrere Atlantiküberquerungen. Vespucci genoss in Europa größere Popularität, weil er viel publizierte und sowohl von Gelehrten als auch von Entdeckern gelesen wurde - er war zu seiner Zeit ein Bestsellerautor. Außerdem segelte er entlang der Küste Südamerikas noch weiter nach Süden, in der Überzeugung, dass es im Westen des Kontinents noch einen völlig separaten Ozean gäbe«, sagte Bea. »Kolumbus hingegen starb in Ungnade. Erinnern Sie sich noch an Ihren Geschichtsunterricht?«
    »Ja, er war wohl der Erste, der in Terra Nova an den öffentlichen Pranger gestellt wurde«, sagte Mike. »Er war Gouverneur von Hispaniola, aber der König ließ ihn wegen Misswirtschaft verhaften.«
    »Richtig. Er hat bis zu seinem Tod darauf beharrt, in Asien gewesen zu sein. Vespucci war es, dem bewusst wurde, dass sowohl er als auch Kolumbus weder Asien noch Indien, sondern einen neuen Kontinent
erreicht hatten, von dessen Existenz kaum ein Europäer etwas ahnte. Also wurde ihm die Anerkennung zuteil«, sagte Bea. »Es ist wirklich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieser relativ unbekannte Kartograf - mag er auch noch so großartig gewesen sein - einem ganzen Kontinent auf der westlichen Halbkugel seinen Namen gab.«
    Mercer richtete sich auf. »Und dass er ihn nach einem Mann benannte, der damals noch lebte, Amerigo Vespucci. Weder wartete er darauf, ob ihm die Geschichte recht gab, noch wählte er den traditionellen Weg, den Kontinent nach einer mythologischen Figur zu benennen.«
    »Und obendrein hat er den Namen noch feminisiert«, sagte Bea. »Das dürfen Sie auch nicht vergessen, Alex. Asien und Europa wurden nach mythischen Frauengestalten benannt - die Tradition weiblicher Endungen für die Namen der Kontinente wurde damit beibehalten.«
    »Es war also diese kleine Gruppe von Geistlichen und Geografen, die von Vespuccis Schriften so begeistert waren, dass sie seinen Namen auf diese Karte setzten?«, fragte ich.
    »Und nicht mehr Terra Incognita oder Terra Nova, wie die Neue Welt im Altertum genannt worden war. Waldseemüller und seine Mitarbeiter haben diese Landmasse einfach America getauft - es war ihre eigene Idee«, sagte Bea. »Und sobald diese Karte veröffentlicht war, übernahmen die Kartografen auf der ganzen Welt diesen Namen als Bezeichnung der Neuen Welt.«
    »Wie viele dieser Karten wurden damals gedruckt?«, fragte Mercer.
    »Eintausend Stück. Für die damalige Zeit eine stattliche Auflage.«

    »Was ist Ihrer Meinung nach aus

Weitere Kostenlose Bücher