Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
Herrschaften sind von der Polizei, Jonah.« Sie stand auf und hielt ihn am Arm zurück, bevor er durch die gläserne Automatiktür verschwinden konnte.
Krauss drehte sich zu uns um. Noch immer lächelnd - breiter als die meisten Leute, bei denen wir unerwartet aufkreuzten - stellte er sich vor und reichte jedem von uns die Hand. Sein gelocktes braunes Haar war noch feucht von der Dusche, und er trug einen Trainingsanzug und Turnschuhe, um sein Wochenende zu beginnen.
»Worum geht’s?«
»Eine Mordermittlung«, sagte Mercer.
»Mord?« Krauss lächelte nicht mehr ganz so forsch. »Wer ist tot?«
»Tina Barr.«
»Tina? Die Restauratorin aus der Bibliothek? Gehen wir in mein Büro. Brit - stellen Sie bitte keine Anrufe durch und sagen Sie den Piloten, dass es etwas später werden kann.«
Die Türen öffneten sich erneut, und wir folgten Krauss zu der nächsten, ebenfalls automatisch aufgleitenden Tür.
Überrascht blieb ich stehen. Firmenchefs, die sich ein Büro im 43. Stock in Midtown leisten können, wollen im Allgemeinen einen entsprechenden Ausblick über Manhattan, von einem Fluss zum anderen.
Stattdessen hatte Krauss eine hypermoderne Hightech-Bibliothek aus durchscheinendem Glas und Stahl geschaffen - sorgfältig ausgeleuchtet und hermetisch abgeriegelt. Die über die Bücherwände verteilen TV-Monitore, auf denen man jederzeit von jeder Stelle im Raum die Finanznachrichten verfolgen konnte, waren die einzigen Anzeichen dafür, dass man sich hier in einem Geschäftsraum befand.
»Keine Fenster?«, fragte Mike, während Jonah einen flüchtigen Blick auf die Zahlenreihen warf, die über den Monitor liefen.
»Geht nicht. Die Bücher müssen vor Sonnenlicht, Feuchtigkeit und Staub geschützt werden«, sagte Krauss. »Aber mir ist das ganz recht. Ich bin lieber den ganzen Tag von Büchern umgeben, anstatt auf die Stadt hinauszuschauen. Die Kids, die für mich arbeiten, haben ihre Büros rundherum. Der tolle Ausblick soll sie beflügeln. Das fördert ihre Motivation. Sagen Sie mir, was mit Tina passiert ist?«
»Sie wurde umgebracht«, sagte Mike.
»Wie ist das passiert? Warum?«
In den fünfzehnsekündigen Abständen, in denen Krauss nicht vom Ticker abgelenkt war, schien er von der Nachricht aufrichtig überrascht zu sein.
»Das versuchen wir gerade herauszufinden. Hat die Bibliothek Sie noch nicht informiert?«
»Was hat der Mord mit der Bibliothek zu tun?«
»Alles, wie es scheint. Wie gut kannten Sie Tina Barr?«
»Nicht besser, als ich Sie kenne, Detective. Ich habe sie kennengelernt, als sie noch in der Bibliothek arbeitete. Sie sind vermutlich hier, weil ich im Kuratorium bin. Sie arbeitete an einigen wichtigen Restaurierungsprojekten, für die ich mich auch interessiere. Ich habe ihr ein paar Mal dabei über die Schulter geschaut, aber das war auch schon alles.«
Mercer ging im Raum umher und musterte mit seitlich geneigtem Kopf die Buchtitel. »Hat sie auch privat für Sie gearbeitet?«
»Nein. Ich habe jemanden in England, der sich um meine Bücher kümmert. Ich hatte keinen Bedarf für Tinas Dienste, obwohl ich ihr Talent bewunderte.
Aber jetzt sagen Sie doch endlich: Was ist mit ihr passiert?«
»Sie wurde umgebracht«, sagte Mike.
»Wo? Ich wusste gar nicht, dass Tina noch in der Stadt war.«
»Wir gehen davon aus, dass es im Keller der Bibliothek passiert ist.«
» Was? « Krauss schien ernsthaft schockiert. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, signalisierte uns, ebenfalls Platz zu nehmen, und konzentrierte sich auf Mike. »Das ist unmöglich. In unserem Haus? Das dürfte der sicherste Ort der Stadt sein.«
»Das war er vielleicht mal.«
»Und wer hat es Ihrer Meinung nach getan? Ein Arbeiter? Ein Eindringling? Ich weiß, dass unsere Sicherheitsmaßnahmen nicht perfekt sind, Detectives, aber die Vorstellung, dass in der Bibliothek ein Mord geschehen könnte, ist geradezu absurd.«
»Wahrscheinlich hat der Täter Tina gekannt«, sagte Mercer, dessen große Gestalt sich gegen die unzähligen, mit Gold und Silberprägung geschmückten Buchrücken in den Regalen hinter ihm abhob.
»Sie war so eine ruhige junge Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Feinde hatte. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«, fragte Mercer.
»Das muss ein, zwei Monate her sein. Ich habe anlässlich der Eröffnung unserer Dickens-Ausstellung einen Cocktailempfang gegeben. Wir haben eine umfangreiche Sammlung, die seit einer Ewigkeit nicht
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