Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
Zahnarzt aus St. Louis und zieht dorthin. Sie schlendern auf der Suche nach einem Hochzeitsgeschenk durch die Madison Avenue zu einer dieser überteuerten Galerien und kaufen eine Karte der Stadt aus dem Jahr 1898, mit Rahmen und allem Drum und Dran. Dreihundert Dollar. Wahrscheinlich wurde sie aus einem Atlas in irgendeiner Bibliothek herausgetrennt - vielleicht sogar vom Meisterdieb Mr Forbes höchstpersönlich.«
Krauss stand auf und ging zu einem Bücherregal hinter seinem Schreibtisch. »Oder ein Kumpel von Ihnen kauft sich eine Ranch in Montana. Wir jüdischen Investmentbanker-Cowboys lassen uns momentan in Montana und Wyoming nieder, als wäre dort das Gelobte Land. Irgendein Gauner wird Ihnen von jedem gewünschten Präriekaff einen handkolorierten Druck verkaufen, zu dem Preis, den Sie zahlen wollen. Eine Karte ist kein großes Kunstwerk, sie ist nicht einmal ein Buch, das man in die Hand nehmen und immer wieder lesen kann. Also, was soll das Ganze?«
»Haben Sie Ihre Sammlung geerbt?«, fragte Mercer.
»Ich habe überhaupt nichts geerbt, Detective. Mein Vater war Gebrauchtwagenhändler in Merrick, Long Island.«
»Wie kamen Sie dann zu dieser … dieser …«
»Sucht. Das ist es nämlich. Mein erstes Buch habe ich in Paris gekauft - das heißt, mein erstes altes Buch, nicht ein Buch, das ich für die Schule lesen musste oder um mir die Zeit während eines langen Flugs zu vertreiben. Ich bin dort eines Abends nach dem Essen zwischen diesen kleinen Bücherständen am linken Seine-Ufer herumgeschlendert. Ich war zum ersten Mal in Paris, ich hatte gerade meinen ersten Wall-Street-Bonus kassiert und zu viel Bordeaux intus, und ich blieb stehen, um mir die Bücher anzusehen. Ich brauchte eine Lektüre für den Heimflug. Ich sah den Großen Gatsby und nahm das Buch in die Hand. Ich mochte die Geschichte schon während des Studiums, als ich mir überlegte, wie ich ein Stück des amerikanischen Traums ergattern könnte. Sie hätten den Aufschrei des Verkäufers hören sollen, als ich das Buch aus dem Regal nahm.«
»Warum?«, fragte Mike.
»F. Scott Fitzgerald. Der Große Gatsby . Ich rede nicht über die Taschenbuchausgabe, die Sie für die Highschool gekauft haben.« Krauss ließ seine Hand über die Regale wandern und zog dann ein kleines Buch heraus. Er strich liebevoll über den mit Klarsichtfolie geschützten Umschlag. »Das hier ist die Erstausgabe. Erstausgaben moderner Klassiker - so habe ich angefangen. Haben Sie jemals ein vollkommeneres Bild gesehen? Absoluter Kult.«
Jonah Krauss reichte mir das Buch. Vor einem kobaltblauen Hintergrund waren die Gesichtszüge einer Frau über einer Amüsierparkkulisse von New York City bei Nacht angedeutet.
Ich drehte das Buch um und bemerkte die schwachen Flecken auf der Umschlagrückseite und die verblichene Schrift auf dem Buchrücken.
»Schlagen Sie’s auf.«
»Darf ich?«
»Schlagen Sie’s auf.«
Ich öffnete den Buchdeckel und las: Ernest - ich finde, dieses Buch ist so ungefähr der beste amerikanische Roman, der je geschrieben wurde. Scott Fitz. 1925.
»Verstehen Sie, was ich meine?« Krauss nahm mir das Buch wieder aus der Hand und blätterte darin. »Fitzgerald persönlich hatte dieses Buch in der Hand. Man fasst diese Dinger an und stellt sich vor, wer sie zuvor in der Hand gehalten hat. Man schnuppert daran und atmet die Druckerschwärze ein, die Geschichte, den Zauber. Raten Sie mal, was ich dafür bezahlt habe?«
Ich besaß auch ein paar Erstausgaben moderner Klassiker, aber nichts Vergleichbares. »Keine Ahnung.«
»Fünfunddreißigtausend Dollar, vor fünfzehn Jahren.
Mein gesamter Bonus und noch ein paar Tausender obendrauf. Einfach so.« Krauss schnippte mit den Fingern.
»Ich kann von Glück reden, wenn ich das mal als Pension habe«, murmelte Mike.
»Der Franzose staunte nicht schlecht, als ich ihn bat, mir das Buch einzupacken. Heute würde es bei einer Auktion das Doppelte bringen. Danach musste ich alles von Fitzgerald haben, was ich finden konnte. Als Nächstes kamen Hemingway, Dos Passos, Wolfe. Es macht absolut süchtig.«
»Inzwischen sammeln Sie offenbar auch ältere Stücke«, sagte ich und ließ meinen Blick über die Regale wandern.
»Ich habe mir das Wissen selbst erarbeitet. Die großen Privatbibliotheken sammeln seit Jahrhunderten seltene Bücher.« Krauss durchquerte den Raum, blieb kurz vor einem der Monitore stehen und ging dann weiter zu den ledergebundenen Bücherreihen. »Ich konnte Keats nicht von Yeats
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