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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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innen.
    Und plötzlich sagte er: „Wir würfeln.“
    Ich verstand nicht.
    „Wir würfeln darum, wer anfängt zu erzählen.“ Er hielt inne und grinste mich an. „Darum geht es doch, oder? Ich will deine Geheimnisse wissen und du meine.“
    Gar keine Geheimnisse wollte ich wissen. Und schon gar keine preisgeben. Aber er war in Not. Hannes hielt sein eigenes Schweigen nicht mehr aus.
    Ich besaß keine Würfel, also suchten wir nach Streichhölzern. Er brach eines durch und gab mir die längere Hälfte. Ich nahm sie in die linke Hand, in der rechten hielt ich bereits ein ungebrochenes Zündholz. Hinter dem Rücken schob ich sie hin und her, bis Hannes mir Einhalt gebot. Dann deutete er auf meinen rechten Arm.
    Heute glaube ich, es wäre ihm lieber gewesen, der Erste zu sein. Vielleicht hätte es uns sogar gerettet. So aber zog er das längere Stück.
    Und ich den Kürzeren.

Dienstagnachmittag
    Das Seniorenheim „City Kant“ lag an einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße, die dem Haus seinen Namen gegeben hatte. Die einst gelbe Fassade war ebenso ergraut wie die Bewohner des fünfstöckigen Siebzigerjahrebaus, sofern ihnen die Haare noch nicht ausgefallen waren. Das allerdings war bei den meisten Männern der Fall, die Frank Erkner im Vorbeigehen freundlich grüßte. Die einen saßen apathisch in abgewetzten Sesseln im Foyer und reagierten nicht auf ihn, die anderen musterten ihn kritisch oder nickten ihm bedeutungsschwanger zu. In Begleitung der Heimleiterin durchquerte der Kommissar das Erdgeschoss einmal ganz, um dann mit dem Aufzug in den dritten Stock zu fahren.
    „Die Frau Pfarrer? Ja, die war sehr beliebt bei unseren Senioren. Sie hatte ein Händchen, besonders für die älteren Damen. Sie hat innerhalb von zwei Wochen die Anzahl derer, die zur Singstunde kommen, fast verdoppelt.“
    Die Innenräume des Seniorenheims waren weitaus ansprechender, als der Bau von außen versprach.
    „Bei uns finden Sie das komplette Abbild der sogenannten dritten Generation: rüstige Rentner, alte Leute und Pflegefälle.“ Christiane Schirmer deutete im Vorbeigehen auf eine geöffnete Tür, hinter der eine Frau im Bett lag und fern sah.
    „Wir haben den Ansatz, die Schwächeren in das soziale Leben mit einzubeziehen. Deshalb sind einige unserer Pflegebedürftigen hier in der Nähe der Aufenthaltsräume untergebracht. Auf diese Weise geht das Leben zumindest hin und wieder an ihnen vorbei und sie fühlen sich nicht ganz ausgeschlossen.“ Und angesichts Erkners skeptischem Blick fügte sie hinzu: „Keine Angst, wenn sie ihre Ruhe möchten, können sie die Tür zumachen. Automatisch, von ihrem Bett aus.“
    Ein Teil des langen Gangs, der durch das U-förmige Gebäude führte, war zum Hinterhof hin verglast. Dahinter lag ein Wohnhaus, das den Abgasen weniger ausgesetzt war und noch immer in Gelb leuchtete.
    „Gehört das auch noch dazu?“
    „Das ist der älteste Teil. Zumeist 1- oder 2-Zimmer-Eigentumswohnungen. Die meisten Bewohner leben ganz unabhängig von der Residenz, können aber auf Wunsch unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen.“
    „Die rüstigen Rentner“, stellte Erkner fest.
    Die Heimleiterin lächelte. „Genau. Einige sind wahre Fossilien und leben schon seit Jahrzehnten hier. Die Stadt hat den Wohnungskauf in den achtziger Jahren subventioniert, die ganze Einrichtung hat eine Weile lang Unterstützung erhalten. War wegen ihres modernen Ansatzes ein Vorzeigemodell.“ Sie wies Erkner den Weg in einen kleineren Saal. Ihrem Alter nach zu urteilen war Christiane Schirmer von Anfang an dabei gewesen, weswegen Erkner aus Respekt nachfragte.
    „Und heute?“
    „Heute“, antwortete sie mit Bitterkeit in der Stimme, „funktionieren wir wie ein Drei-Sterne-Hotel zu Pensionspreisen. Deshalb sind wir um jeden Ehrenamtler froh und kooperieren mit den Kirchen, um unser Freizeitangebot zu erweitern.“
    Ob immer so viele derlei Angebote wahrnahmen oder ob das große Interesse an der heutigen Singstunde der besonderen Umstände geschuldet war, beantwortete die Heimleiterin ohne den geringsten Zweifel und mit einem leichten Grinsen: „Die sind natürlich alle wegen Ihnen hier.“
    Kein Platz war an den Vierertischen frei geblieben, erwartungsvoll blickten ihn etwa vierzig Augenpaare an, zumeist ältere Damen, als er durch die Flügeltür eintrat.
    „Die meisten Menschen, ganz gleich, aus welchem Milieu sie stammen, müssen zuerst etwas bekommen. Information gibt es grundsätzlich und immer nur im Tausch

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