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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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Testament meiner Mutter vollstreckt worden. Und dennoch. Die alte Angst, mich zu verraten, steckte mir so tief in den Knochen, dass keine Zeit der Welt sie mich vergessen ließ. Im selben Moment war alles wieder da: Die überheizte Stube, wenn ich am Abend nach Hause kam, das klopfende, das zerspringen wollende Herz unter dem dünnen Mantel, die glühenden Wangen, schnell vorbei an Vaters forschendem Blick.
    „Warst du schon mal verliebt?“, fragte ich Hannes, nicht nur, um abzulenken.
    „Du bist dran.“
    „Nun sag schon, ich muss doch wissen, ob du weißt, wovon ich rede.“
    „Na, gut: Ja.“
    „In ein Mädchen oder in einen Jungen?“
    Ich spürte, wie die Frage sich in seinem Kopf verhedderte. Einen unbekannten Alarm in ihm auslöste, den er versuchte, schnell wieder auszuschalten. Vielleicht hatte ich ihn überschätzt, vielleicht war er nicht einmal halb so erwachsen, wie er tat.
    „Ist das wichtig?“, fragte er ruhig zurück.
    Er hatte verstanden. Hatte nicht gelacht, war nicht aufgesprungen und hatte mich keine Perverse genannt.
    „Nein“, erwiderte ich, „das ist nicht wichtig. Heutzutage jedenfalls nicht mehr so. In meiner Zeit war es das.“
    Wenn mein Vater herausgefunden hätte, dass ich mich täglich mit der Tochter von Erdmann im Stall traf, um sie zu küssen, hätte er mich auf der Stelle in ein Lazarett an die Front geschickt. Um mir die Flausen im Kopf zu vertreiben. Und Erdmann hätte seine Tochter mit dem Erstbesten verheiratet. Deshalb hörten wir auf, uns zu treffen. Redeten uns ein, dass wir der Schande ein Ende bereiten müssten, und schworen uns, es niemandem zu erzählen. Auf immer würden wir mit der Schuld alleine fertig werden müssen, als Strafe beschlossen wir, einander nicht mehr zu kennen.
    „Hammerhart“, bemerkte Hannes. „Und das hat geklappt?“
    Rita Erdmann vergaß ich allmählich. Meine Sehnsucht nach einer Frau vergaß ich nie. Ich träumte sie mir neben mich in die Praxis meines Vaters, der aus mir eine dem Führer treu verbundene Krankenschwester machen wollte. Die verwundeten Helden an der Front versorgen, darin sah er meine Berufung. Er hatte eine Sondergenehmigung erhalten, mich auszubilden, und so musste ich nicht im städtischen Krankenhaus an OP-Tischen stehen, sondern lernte das Dorf, in dem ich aufgewachsen und zur Schule gegangen war, durch die Krankheiten seiner Einwohner kennen. Blut siehst du noch früh genug, pflegte mein Vater zu sagen, und ich ahnte damals nicht, wie recht er damit haben sollte. Sowenig ich wissen konnte, dass mich der Blitz im Wartezimmer treffen sollte.
    „Wo war denn die Praxis deines Vaters?“
    „Nebenan. Der kleine Anbau, in dem jetzt der Wintergarten ist.“
    „Und das Wartezimmer?“
    „Davor.“
    „Kannst du mir die Geschichte nicht dort erzählen?“
    Nichts erinnerte mehr daran, dass ich achtunddreißig Jahre zuvor die Tür zum Kaminzimmer geöffnet hatte, um die letzte Patientin an diesem Tag hereinzubitten.
    „Wo genau?“, wollte Hannes wissen.
    „Sie saß dort auf dem gekachelten Sims.“ Ich deutete auf den Kamin. „Da war es im Winter schön warm.“
    Mir war bei ihrem Anblick die Hitze zu Kopf gestiegen. So und nicht anders hatte die Frau meiner Träume ausgesehen: burschikos, tadellos gekleidet, mit einem Kurzhaarschnitt, wie ich ihn nur zu gerne gehabt hätte. Sie trug einen hellen Wollmantel, ihr Hals war von einem langen Schal umschlungen, und sie machte einen ziemlich verfrorenen Eindruck.
    „Liebe auf den ersten Blick?“
    Liebe. Ich war zwanzigeinhalb, Helene einunddreißig, und Hitler hatte acht Jahre zuvor die Macht ergriffen. Die Liebe lässt sich nicht ergreifen und doch haben wir es versucht. Am 26. August 1942 wurde ich einundzwanzig und war volljährig. In derselben Nacht holte mich Helene ab, und wir fuhren über Frankfurt nach Berlin. Ich weiß bis heute nicht, wie Helene an die Wohnung dort gekommen war. Nichts habe ich durchdringen wollen, außer der Beschaffenheit ihrer Haut. Nicht genug konnte ich bekommen von ihren Küssen, ihren Blicken und dem Gefühl, endlich, nach all den Jahren der Verlorenheit, angekommen zu sein.
    „Wir waren selig. Trunken vor Glück.“
    Und bemerkten nicht, wie wir ins Unglück taumelten.

Mittwochvormittag
    31,7° Celsius. Verónica schaute auf die digitale Temperaturanzeige in der Ankunftshalle und traute ihren Augen nicht. Konnte es sein, dass die Temperatur in Berlin ebenso hoch war wie in Granada? Als sie durch die Drehtür nach draußen trat,

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