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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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Nowak stöhnte. „Das heißt, wir müssen schon wieder zu ihm nach Hause?“
    Berger grinste. „Daran hat dein fleißigster Mitarbeiter gestern schon gedacht! Ingo Mangolds Laptop ist schon bei der Spurensicherung, und der Inhalt seines Sekretärs steht in zwei Kisten zur Aufarbeitung bereit.“
    „Schon wieder Überstunden?“
    „Sieht fast so aus. Oder hattest du heute Abend schon etwas anderes vor?“
    Sie warf ihm einen langen Blick zu, der ihn dazu veranlasste, den Kellner zu rufen und schleunigst die Rechnung zu begleichen.
    Verónica schloss Inges Wohnungstür nach einem kurzen Klingeln auf.
    „Jemand daheim?“
    Unschlüssig stellte sie ihr Gepäck ab, steckte den Schlüssel mit dem überdimensioniert langen Schlüsselanhänger in die Hosentasche und ging in die Küche. Dort ließ sie sich auf einen der Holzstühle fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie war erschöpft. Frank Erkner und sie hatten drei Stunden vor dem Mangold’schen Haus ausgeharrt, nachdem sie überprüft hatten, dass Ben Mangold nicht zu Hause gewesen war und sichergestellt, dass er es nicht ungesehen würde betreten können.
    „Wir müssen unbedingt mit ihm sprechen“, hatte der Oberkommissar ernst zu Mathilde Taylor gesagt, „zu seiner eigenen Sicherheit. Geben Sie uns also bitte sofort ein Zeichen, wenn er hier auftaucht. Sie müssen nur ans Fenster gehen.“
    „Er war seit gestern nicht mehr hier, und es sieht auch nicht so aus, als hätte er hier geschlafen oder Sachen geholt. Irgendwann braucht er ja mal etwas zum Anziehen. Da ist er eigentlich ziemlich pingelig.“ Sie fuhr sich über das Gesicht und lächelte traurig. „Wie meine Schwester, übrigens. Er ist auch genauso sensibel. Deshalb mache ich mir große Sorgen um ihn. Nach solchen kaum zu verarbeitenden Verlusten sind gerade junge Menschen in der Entwicklung besonders gefährdet.“
    „Was meinen Sie damit?“
    „Sie verlieren den Bezug zur Wirklichkeit, weil das Erlebte kaum zu fassen ist und eigentlich die eigene Vorstellung überschreitet. Man befindet sich in einer Art Schockzustand, den man selbst als solchen kaum wahrnimmt.“
    Wo, hatten Verónica und Frank Erkner zurück im Wagen überlegt, könnte sich Ben aufhalten und wieso mied er das Zusammentreffen mit seiner Schwester und seiner Tante?
    „Hältst du es auch für möglich, dass er der Mörder seiner Mutter ist?“
    Erkner schüttelte den Kopf. „Ich habe meine Mutter in dem Alter gehasst. Sie hat meinen Vater verlassen, einen anderen geheiratet und sich einen Dreck um mich gekümmert. Aber sie umbringen? Dazu gehört eine ganze Menge, gerade in dem Alter. Vor allem in dem sozialen Milieu, aus dem er kommt.“
    „Aber sind die Jugendlichen heute nicht so abgebrüht durch die ganzen Gewaltspiele, mit denen sie jahrelang konfrontiert werden?“
    „Wir haben früher Räuber und Gendarm gespielt. Wenn wir einen Räuber gefangen hatten, haben wir ihn an einen Baum gebunden, ihm die Schuhe ausgezogen und gewartet, bis sich die Ameisen über seine nackten Füße und Beine hermachten. Das ist zwar nicht tödlich gewesen, aber auch nicht weniger sadistisch als das, was Jugendliche heutzutage auf dem Schulhof miteinander anstellen.“ Erkner zuckte mit den Schultern. „Und ich weiß nicht, ob Supermann viel weniger brutal war als Tomb Raider. Die Ausrüstung ist besser, aber das Prinzip ist doch das Gleiche. Und im Übrigen ist Ben Mangold ein Student der Philosophie, der seine Zeit ganz sicher nicht mit Ballerspielen zubringt. Soviel ich weiß, liest er Kant und lernt Griechisch.“
    Nach vier Stunden kam die Ablösung, und Erkner hatte Verónica ohne Nachfragen geholfen, ihre Sachen vom Hotel zu Inge Nowak zu bringen.
    „Bleib doch einfach hier, ich bring den Wagen ins Präsidium und melde uns für heute ab.“
    Ihr war sein Vorschlag mehr als entgegengekommen, sie sehnte sich nach einem Moment der Stille und des Ankommens. Auch wenn sie mit Inge einen versöhnlichen Abend und eine leidenschaftliche Nacht verbracht hatte, war doch eine verwirrende Unruhe in ihr zurückgeblieben, eine leichte Beklemmung, wenn sie daran dachte, wie unschön ihre Ankunft verlaufen war und wie deutlich Inge über ihre Grenzen gegangen war. Grenzen, von denen sie bis am Tag zuvor nicht so klar hätte sagen können, dass sie überhaupt existieren. Bis dahin hatte sie nur vage darüber nachgedacht, wie das Zusammenwohnen mit Inge werden würde, sich nie die Frage gestellt, wohin sie sich zurückziehen sollte,

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