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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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ankerlos.
    Nie habe ich aufgehört zu träumen.
    Ich wäre lieber nicht allein gestorben. Einen Garten hätte ich gerne gehabt, Kräuter hätte ich anbauen wollen und einen Baum pflanzen. Um mich herum hätte ich mir Gesichter gewünscht, die niemals aufgehört hätten zu lächeln. Ich hätte keine Worte gebraucht, kein Schulterklopfen und keine Umarmung. Nur manchmal einen Augenblick der Absolution für mein Überleben. Das sich vollzog, als ob mich eine unsichtbare Mauer davon trennte. Ich nahm die Verhaftung von Andreas Baader und die Entführung israelischer Athleten in München ebenso teilnahmslos auf wie Jahre zuvor die Mondlandung und noch früher das Gesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Ich hätte rechtzeitig einen Antrag stellen können. Vielleicht Recht bekommen und Geld. Ich hätte kegeln können mit meinen Arbeitskollegen. Mir ein kleines Auto kaufen oder schwimmen im Wannsee. Versuchen, ein Teil zu werden des Blühens und Vergehens, das mich umgab. Doch mehr als eine unbeteiligte Beobachterin bin ich nie gewesen, und es hätte mich nicht überrascht, hätte ich eines Tages durch Wände gehen können, so unsichtbar wie ich mich fühlte. Manchmal, nachdem ich meine Blumen auf der Fensterbank gegossen hatte, ging ich noch einmal zu den Töpfen und überprüfte, ob die Erde wirklich feucht geworden war, so sehr fühlte ich mich wie ein schlafwandelnder Geist. Mein Körper verfiel in dem Maße, wie ich mich nicht um ihn kümmerte, ich alterte schnell und eines Tages, ich war noch keine fünfzig, begannen mir die Haare auszufallen, büschelweise.
    Ich rupfte, bis die Kopfhaut blutete und endlich, endlich erkannte ich mich im Spiegel wieder.

Freitagmorgen
    Inge Nowak hatte schlecht geschlafen. Bis spät abends war sie mit Berger zusammen die persönlichen Sachen von Ingo Mangold durchgegangen. Dabei waren sie auf nichts gestoßen, was sie nicht schon gewusst hatten. Erkner hatte kurz vor Dienstschluss mit dem IT-Spezialisten den Zugang zu Mangolds Notebook geknackt, und zumindest der E-Mail-Verkehr gab darüber Aufschluss, dass er noch immer in regem Kontakt zu seiner ehemaligen Sekretärin und Geliebten stand. Offenbar hatten sich die beiden drei Tage vor Mangolds Tod bei ihr getroffen. Seine Nachrichten an sie klangen wie eine Mischung aus Danksagung und Abschiedsbrief, während sie ihm Gedichte und Lebensweisheiten schrieb.
    „Kein Grund zur Annahme, dass er sie abwickeln wollte. Klingt eher nach Umwandlung eines Liebesverhältnisses in eine gute Freundschaft.“
    Gegen zehn hatten die beiden beschlossen, dass es sich nicht weiter lohnte, in Ingo Mangolds Unterlagen herumzusuchen.
    „Ich glaube, der war einfach sauber“, schloss Berger, und seine Kollegin musste ihm beipflichten.
    Als Inge nach Haus gekommen war, lag Verónica mit Kopfhörern auf dem Sofa und schlief. Sie hatte sich aus dem Schlafzimmer eine dünne Decke geholt, ihr Pyjamaoberteil angezogen, und alles sah danach aus, als wollte sie die Nacht bei weit geöffnetem Fenster im Wohnzimmer verbringen. Inge schlich sich auf Zehenspitzen in den Flur, zog die Tür hinter sich zu und nahm trotz der anhaltenden Hitze ein Bad. Die leise Hoffnung, Verónica könnte sie doch noch hören und ins Schlafzimmer umziehen, wurde enttäuscht. Stunden später fand sie sich alleine und schweißdurchnässt zwischen den Laken wieder.
    Bis fünf hatte sie es im Bett ausgehalten, nun saß sie mit angezogenen Knien auf einem der Küchenstühle und rauchte ihre erste Zigarette.
    „Guten Morgen.“ Verónica umarmte sie von hinten.
    „Hab ich dich geweckt?“
    „Nein, ich kann auch nicht mehr schlafen.“
    „Kaffee?“
    „Gern.“
    Inge stand auf und setzte einen zweiten Espresso auf.
    „Haben wir ein Problem?“, fragte sie unvermittelt.
    „Ich weiß nicht, ob wir dasselbe haben.“
    „Hast du eins?“
    Verónica nickte. „Glaube schon. Und du?“
    „Ich auch. Wie heißt deins?“
    „Ich habe Angst.“
    „Dann haben wir dasselbe.“
    Verónica stand auf und lehnte sich gegen die Anrichte. „Ich hab noch eins.“
    „Aha.“
    „Ich muss dringend wissen, ob du mich so liebst, wie ich bin.“
    „Weiß ich, wie du bist?“
    „Ich fürchte, nein.“
    „Wie soll ich dir dann die Frage beantworten?“
    „Versuch es.“
    Inge Nowak mochte derartige Gespräche nicht. Sie dachte in Schwarz oder Weiß, nicht in Grauzonen.
    „Das ist Haarspalterei, Verónica. ich liebe dich so, wie ich dich kenne. Und in letzter Zeit

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