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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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wenn sie streiten würden. Oder wenn sie, Verónica, alleine sein wollte. Seit ihrer Ankunft empfand sie ein tiefes, fast aggressives Bedürfnis nach Rückzug.
    Die Inspectora sah aus dem Fenster in den wolkenlosen, diffus bläulichen Abendhimmel Berlins und wusste längst, was sie sich noch nicht eingestehen mochte: Sie wollte ein eigenes Zimmer in Berlin. Am liebsten nebenan.
    Es war gut, reiche Freunde zu haben, noch besser, solche, die einem in den Ferien die Schlüssel für die ganze Wohnung überließen. Als hätte Marco geahnt, dass Ben in den Semesterferien einen Unterschlupf brauchen würde.
    „Mann, nun nimm den Schlüssel und zieh bei mir ein. Das Tonstudiozeug ist ein Vermögen wert. Und selbst wenn die Versicherung bei einem Einbruch zahlt – das dauert tausend Jahre, bis ich alles wieder so zusammen habe! Pass einfach auf, dass keiner einsteigt, damit würdest du mir einen Riesengefallen tun!“
    Die beiden kannten sich schon seit Kita-Zeiten, Marcos Eltern gehörte die Villa schräg gegenüber. Gleich nach dem Abitur war er ausgezogen, seine Eltern hatten ihm eine Dachgeschosswohnung in Mitte gekauft. Wenigstens machte er neben seiner experimentellen Musik auch noch eine Ausbildung zum Tontechniker, wenn er schon nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte, der eine renommierte Anwaltskanzlei führte. Damit der Sohn es sich nicht wieder anders überlegen konnte und der privaten Medienhochschule den Rücken kehrte, hatten sie ihm gleich das gesamte Equipment finanziert. Marco sah es gelassen, produzierte eigenwillige Musikaufnahmen mit Singvögeln, Percussioninstrumenten und seiner Stimme, und hin und wieder eine kleine Master-CD für Musiker, die es sich anderswo nicht leisten konnten.
    Außer den beiden winzigen Studioräumen verfügte die Wohnung über ein großes Wohnzimmer, das auf eine kleine Dachterrasse hinausführte, mit Blick über die Dächer der Hauptstadt, und ein kleineres Schlafzimmer, in dem auf Tatami-Matten ein Futon lag. Ein begehbarer Kleiderschrank beherbergte die wenigen Kleidungsstücke, die der Zwanzigjährige besaß, in Sachen Aussehen war er geradezu das Gegenteil von seinem Freund Ben. Auch las er keine Bücher, nur Mangas, die er nach der Lektüre sofort verschenkte, die Wände waren weiß gestrichen und unbebildert, wie die ganze Wohnung einen kühlen Grundton hatte.
    „Fühl dich ganz wie zu Hause!“, hatte er zu Ben gesagt, als er ihm am Flughafen den Haustürschlüssel in die Hand gedrückt hatte. „Und bedien dich: in Kühlschrank und Gefrierfach findest du alles, was du brauchst!“
    Wie zu Hause. So wollte sich Ben Mangold am allerwenigsten fühlen. Er war froh, dass Zuhause am anderen Ende der Stadt lag und dass niemand wusste, wo er war.
    Fast niemand.
    Estebán Valero hatte es für besser gehalten, abzutauchen, bis er mit Ben gesprochen hatte. Mit seinem Sohn. Inzwischen war er sicher, dass er der Vater des Jungen war.
    Er dachte nicht gerne an diesen Abend des 31. Januar 1984. Erika hatte keine Anstalten gemacht, ihn zum Flughafen zu bringen, und das, obwohl ihnen Monate der Trennung bevorstanden. Valero hatte auf seinem winzigen Bett im Studentenwohnheim gesessen, dem Zimmer, das am nächsten Tag schon ein anderer beziehen würde, und vergeblich auf sie gewartet. Gegen zehn hatte er sie von dem öffentlichen Fernsprecher aus angerufen, aber sie war nicht ans Telefon gegangen. Dann hatte er sich auf den Weg gemacht, ohne Socken in Turnschuhen und mit einer Wut im Bauch, die er kaum ertragen konnte. Er fühlte sich gedemütigt, in seinem Stolz gekränkt und ungerecht behandelt. War er ihr nicht monatelang ein Freund gewesen, einer, der immer für sie da gewesen war, auf den sie zählen konnte? Und nun, da er ging, wollte sie sich nicht einmal von ihm verabschieden, tat nicht einmal so, als ob es ihr etwas ausmachen würde, dass er die Stadt verließ?
    Er klingelte solange an ihrer Wohnungstür, bis sie öffnete. Sie war schon zu Bett gegangen, trug nur ein Nachthemd und stand barfuß vor ihm im Türrahmen.
    „Du bist ja immer noch hier!“, war alles, was sie zu ihm sagte.
    In diesem Augenblick überschritt er eine Grenze in seinem Kopf. Er stieß die Tür auf, drängte sich in die Wohnung, ließ die Tür ins Schloss fallen, packte sie um die Hüfte und trug sie zum Bett. Erika war zu perplex, um zu schreien. Erst als er seinen Gürtel löste, begriff sie, was er vorhatte und versuchte, wegzulaufen. Weit kam sie nicht, in seiner Erinnerung ging alles

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