Töten Ist Ein Kinderspiel
tust du Dinge, die neu für mich sind. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir nicht alltagsgewöhnt sind. Ich kenne dich am Wochenende, wenn du nicht arbeiten musst, und ich kenne mich mit dir in Spanien, wo mich keiner kennt.“
„Was dir lieber ist, oder?“
„Wie meinst du das?“
„Dein Chef weiß nicht, dass wir ein Paar sind, oder?“
Inge Nowak fuhr herum. „Bist du verrückt? Was geht das Frickel an?“
„Ich fand es komisch. Das ganze Gerede gestern. Als ob wir flüchtige Bekannte wären!“
„Mir ist es aber lieber, wenn er das denkt. Und es ist auch für dich besser. Oder willst du, dass man denkt, du hättest dich hochgeschlafen?“
„Das liegt ja wohl auch an dir, ob man das denkt.“
„Nein, tut es nicht.“ Inge nahm die Cafetera von der Flamme und stellte stattdessen einen Milchtopf darauf. „Frauen haben auch bei der deutschen Polizei keinen leichten Stand. Lesbische Frauen schon mal gar nicht.“
„Dass du eine Freundin hast, weiß doch sowieso jeder.“
„Da täuschst du dich.“
„Du tust so, als wärst du nicht lesbisch?“
„Nein. Ich trenne mein Privatleben von meinem Beruf.“
„Und wenn dich jemand fragt?“
„Was fragt?“
„Wie du lebst.“
„Dann sage ich die Wahrheit.“
„Und die lautet?“
„Ich lebe allein.“
Verónica sah sie an, doch Inge schaute nicht von der Milch auf, die sie stoisch mit einem Schneebesen aufzuschäumen versuchte.
„Und Wolfram und Frank spielen das mit?“
„Berger und Erkner müssen nichts mitspielen. Sie sind meine Kollegen, und wir sind untereinander und Außenstehenden gegenüber extrem diskret.“
„Mit anderen Worten: Du verheimlichst mich.“
„Ich laufe nicht mit einem Schild um den Hals herum, auf dem dein Name steht.“
Sie nahm die Milch vom Herd, goss einen Teil davon in eine Tasse und füllte sie mit Espresso auf.
„Hier!“ Inge hielt Verónica den Michkaffee hin.
„Ich spiele das aber nicht mit, Inge.“
„Was spielst du nicht mit?“
„Ich tue nicht so, als ob wir nur Kolleginnen wären.“
„Und ich will einfach nur meine Ruhe.“
Schweigend standen sie in der Küche. Nun wussten sie, dass sie mehr als ein Problem gemeinsam hatten.
Estebán Valero reckte sich. Wenn er die Arme ganz weit ausstreckte, stieß er mit den Fingern an die beiden gegenüberliegenden Wände. Der Raum war länger als breit und winzig. Etwas hing in der Mitte von der Decke, er konnte es nicht erkennen, vermutete aber, dass es Mikrofone waren, denn Licht gab es in dem Raum keines. Zumindest ließ es sich nicht über die Schalter an den Wänden, die er in den vergangenen Stunden minutiös abgetastet hatte, anschalten. Auf halber Höhe hatte er etwas wie eine kühle, vielleicht einen Meter lange Ausbuchtung gefühlt, wahrscheinlich das Verbindungsfenster zu dem größeren Studioraum, der mit der für ein Tonstudio nötigen Technik ausgerüstet war. Er konnte nicht hindurchsehen, die Öffnung musste von der anderen Seite zugeklebt worden sein. Nach unzähligen Versuchen, die Tür zu öffnen, die hinter ihm ins Schloss gefallen und abgeschlossen worden war, und nachdem er sich eine Weile erfolglos die Seele aus dem Leib geschrien hatte, hatte er sich auf den harten Boden gelegt, auf ein mit rauer Teppichware ausgelegtes Rechteck von vielleicht zwei Quadratmetern. In dem Raum, indem sich außer ihm und einem leeren Eimer in der Ecke nichts anderes zu befinden schien, war es unglaublich heiß und stickig. Er hatte Durst.
Im Geiste ging er sämtliche Fehler durch, die er im Laufe des Abends gemacht hatte.
„Kannst du mir mal dein Handy leihen?“, hatte Ben ihn gefragt, gleich nachdem er die Wohnung betreten hatte. „Sie haben uns das Telefon abgestellt, und ich müsste gleich mal bei der Hotline anrufen und fragen, was da los ist.“
Ohne Zögern hatte er ihm sein Telefon ausgehändigt, sich nur den Anflug eines Gedankens lang gefragt, warum Ben es in die Hosentasche steckte, statt direkt das Telefonat zu führen, hatte die unausgesprochene Frage aber gleich verworfen, weil sein Sohn bereits wieder seine Aufmerksamkeit beanspruchte.
„Soll ich dir erst mal die Wohnung zeigen? Wir sind hier zu zweit, Marco und ich machen zusammen Musik. Seine Eltern schwimmen im Geld und haben uns ein Tonstudio spendiert. Unser ganzer Stolz. Willst du mal sehen?“
Natürlich hatte er sehen wollen, immerhin war er sein Vater, und dass Ben ihm gleich von seinen Hobbys erzählte, schmeichelte ihm, auch, dass er ihm die Wohnung
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