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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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zeigte, ihn behandelte wie einen guten Freund. Das jedenfalls hatte er geglaubt, bis der Junge ihn plötzlich heftig stieß und die Tür hinter ihm zufiel.
    Zuerst hatte er es für einen Scherz gehalten.
    „Sehr witzig! Keine Angst, ich laufe nicht wieder weg.“
    Ben hatte nicht reagiert, er hatte noch einen Moment gewartet und war dann ein wenig ärgerlich geworden.
    „Mach keinen Blödsinn, lass mich wieder raus. Das ist nicht mehr witzig.“
    Nichts.
    Schließlich reichte es ihm. Er griff nach seinem Handy, ohne zu wissen, wen er eigentlich anrufen wollte. Schlagartig begriff er, in welche Lage ihn Ben gebracht hatte: Er war ihm solange ausgeliefert, bis er die Tür freiwillig wieder öffnen würde.
    Estebán Valero sprach noch ein paar Mal lautstark in die Dunkelheit, probierte das gesamte Register von verständnisvollem Bitten bis hin zur offenen Drohung durch und gab nach einer Viertelstunde frustriert auf. Er war sich nicht einmal sicher, ob Ben ihn hörte, denn wie er wusste, befand er sich in einem luftdicht abgeschlossenen Aufnahmestudio. Das einzige Geräusch, das an seine Ohren drang, war die Lüftung und der Klang seiner eigenen Stimme.
    Irgendwann hatte er sein Hemd ausgezogen, es zerknüllt und als Kopfkissen benutzt. Die Beine angezogen und versucht zu schlafen. Doch in seinem Kopf drehten sich unaufhörlich Bilder und Gedanken.
    Was beabsichtigte Ben damit, dass er ihn einsperrte? Hielt er ihn tatsächlich für den Mörder seiner Mutter? Oder wollte er ihn für etwas anderes bestrafen? Dachte er, er hätte von seiner Existenz gewusst und ihn nicht haben wollen? Alles kreiste um Ben und um Erika. Es war, als ob sein eigentliches Leben stillstünde. Wann hatte er das letzte Mal an Sandra gedacht? An Boston, die Wohnung, die sie gekauft hatten, ihre Pläne? Selbst jetzt war es ihm kein Trost zu wissen, dass es auf der anderen Seite der Erde ein Leben gab, das maßgeschneidert für ihn war, in dem die Vergangenheit keine Rolle spielte und die Zukunft ein sich selbsterfüllendes Versprechen war. Sein sollte. Denn das Gestern hatte ihn eingeholt, morgen hatte aufgehört und das Jetzt bestand darin, dass er hilflos und ahnungslos in einem dunklen Kästchen saß. Alles hatte sich auf ein schwarzes Loch reduziert, in dem er durch das Universum trudelte. Bei diesem Gedanken war er weggedämmert, Sternenkolonnen zogen an ihm vorüber, fern leuchtete die Milchstraße und in der schweren Hitze, die ihn umgab, träumte er sich leicht und leichter.
    Als er mit schmerzenden Gliedern erwachte, stellte er mit einem Blick auf die Leuchtziffern seiner Uhr fest, dass gerade einmal drei Stunden vergangen waren. Sein T-Shirt war feucht und klebte am Körper, seine Zunge am Gaumen und sein dröhnender Kopf am Boden.
    Wasser, dachte er.
    Das Etikett des Mineralwassers auf seinem Nachttisch im Hotel erschien ihm, legte sich großflächig über den Swimmingpool im Hause seiner Schwiegereltern und drückte ihn unter die Wasseroberfläche. Eigenartigerweise konnte er dort weiteratmen, wenn auch schwer. Während er sank, fiel er wieder in unruhigen Schlaf.
    Mit einem aufmunternden Lächeln, in blauem Polo-Shirt und weißer Freizeithose verabschiedete sich Helmut Frickel kurz nach zehn Uhr morgens ins Wochenende. Die vierteljährliche Kriminaldirektorenbesprechung fände dieses Mal ob der gehobenen Temperaturen am Wannsee statt, ganz in der Nähe des Bootshauses, an dem günstigerweise der Polizeipräsident sein kleines Segelboot liegen hatte.
    „Und wir gehen ins Schwimmbad ermitteln, oder was?“, fragte Frank Erkner genervt in die Runde, als ihr Chef federnden Mokassinschritts den Besprechungsraum verlassen hatte.
    Das Team hatte sich mitsamt der beiden Praktikanten Jan Glauser und Florian Hermannstatt zusammengesetzt und Erkner die einzelnen Ergebnisse in sein Laptop diktiert. Ein Beamer projizierte bereits die Namen aller im Fall Erika Mangold verdächtigen Personen, jeweils mit den bisher vorliegenden Informationen darunter. Im Zentrum prangten mehrere Fotos der Toten vom Tatort.
    „Die Geliebte von Ingo Mangold fällt raus – ich habe ihr Alibi überprüft: Sie war tatsächlich am Montagabend während der Tatzeit in der Yogagruppe. Das hat der Kursleiter bereits bestätigt.“
    „Könnte er der Neue von ihr sein?“
    Erkner grinste. „Sieht mir nicht so aus. Der scheint eher auf Männer zu stehen, so wie er mich angebaggert hat. Außerdem hat er mir die Telefonnummer von zwei anderen Kursteilnehmerinnen gegeben, von

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