Töten Ist Ein Kinderspiel
denen eine Gisela Kleinerts Aussage ebenfalls bestätigt hat.“
„Dann streich sie“, schlug Berger vor, „wir sollten uns auf Ben Mangold und Estebán Valero konzentrieren.“
„Könnten sie es gemeinsam getan haben und jetzt auf der Flucht sein?“ Erkner notierte sich etwas. „Wir brauchen unbedingt die Fingerabdrücke des Chilenen. Erst mal müssen wir doch wissen, ob er überhaupt am Tatort war. Mit oder ohne den Jungen.“
Verónica schaute ungläubig. „Erklärt mir, warum! Bei Valero kann ich mir ja noch ein Motiv vorstellen, aber der Junge? Warum sollte er plötzlich mit seinem Vater, den er gerade erst kennengelernt hat, gemeinsame Sache machen?“
„Wer sagt dir denn, dass sie sich gerade erst kennengelernt haben?“, warf Inge Nowak ein. „Womöglich kennen sie sich schon viel länger. Am Ende ist Ben der eigentliche Grund, warum Estebán Valero nach Berlin gekommen ist.“
„Spekulation“, bemerkte Berger. „Wir sollten bei dem bleiben, was wir bis jetzt haben. Und mal unsere beiden Helfer zu Wort kommen lassen.“
Jan Glauser richtete sich auf und zuckte nervös mit den Augen. Es war das erste Mal, dass er vor den Kriminalbeamten sprach.
„Wir haben sämtliche Unterlagen von Erika Mangold gesichtet. Sie scheint eine sehr akribische Person gewesen zu sein. Alle Schreiben, die sie bekommen hat, sind ordentlich abgeheftet und mit Datum versehen. Die private Korrespondenz umfasst Briefe, Schreibhefte aus dem Gymnasium, Beste-Freundinnen-Zettelchen, Schwärmereien, Liebesgedichte, Fotos, Klebebildchen, Sticker und so weiter.“ Er räusperte sich und übergab das Wort an seinen Mitstreiter.
„Die erste Notiz ist eine herausgerissene Seite aus einem karierten Schulheft, wahrscheinlich von einer Schulfreundin, die damals zehn Jahre alt gewesen sein muss. Sie schreibt an Erika, dass ihre Eltern nicht erlaubt hätten, Silvester mit ihr zu feiern.“
„Vielleicht brauchen wir es nicht ganz so genau…“, fiel ihm Inge Nowak ins Wort.
„Vielleicht doch“, intervenierte Berger und nickte dem Praktikanten zu, der bei Nowaks Bemerkung sofort errötet war.
„Also es ist so, dass Frau Mangold als Schülerin jede Kleinigkeit aufgehoben hat. Von der dritten bis zur zehnten Klasse. Dann klafft eine Lücke bis zu ihrem Studium. Das Nächste, was auf die Einladung zum Abschlussfest ihres Jahrgangs vor der gymnasialen Oberstufe folgt, ist die Immatrikulation an der Freiburger Universität. Ab da geht es weiter wie vorher: Ordnerweise Zettelchen, Aushänge zur Wohnungssuche, Zigarettenpäckchen mit Telefonnummern, Flugblätter von politischen Organisationen, Eintrittskarten von Folklorefestivals und am Ende ein glatt gestrichener, vormals zerknüllter Zettel mit einem Namen darauf: Ingo Mangold.“ Der Praktikant hielt ihn wie eine Trophäe hoch. „Danach kommt ein ganzer Ordner mit Briefen und Postkarten von ihm. Er hat ihr fast täglich geschrieben.“
„Und jetzt kommt’s!“, übernahm Berger das Wort. „Aus den Briefen wird ziemlich deutlich, dass Estebán Valero Erika Klinger vergewaltigt haben muss und sie dabei schwanger wurde. Ingo Mangold hat das ganz offensichtlich gewusst und ihr immer wieder beteuert, dass er, wie auch immer, für sie da sein würde.“
„Ach, du Scheiße“, entfuhr es der Hauptkommissarin. „Deshalb wollten sie nicht, dass Ben seinen Vater kennenlernt!“
„ Claro que no “, murmelte Verónica.
„Damit fällt für mich Ingo Mangold als Mörder seiner Frau weg.“ Erkner klammerte den Namen auf der Tafel ein. „Unwahrscheinlich, dass er eifersüchtig auf Valero war.“
Diesmal rügte ihn seine Chefin nicht dafür, dass er nur den Nachnamen eines Verdächtigen genannt hatte. Sie würde es in diesem Fall von nun an ebenfalls tun.
„Stimmt. Valero selbst hat ein viel stärkeres Motiv. Vielleicht hat ihm Erika Mangold nach all den Jahren doch noch mit einer Anzeige gedroht? Damit er ihren Sohn in Ruhe lässt?“
„Dann wäre immer noch Ingo Mangold geblieben“, gab Verónica zu Bedenken. „Vielleicht war die Überdosis Morphium ja doch kein Selbstmord.“ Sie rieb sich die Stirn. „Aber wieso behauptet Ingo Mangold dann, er sei schuld am Tod seiner Frau?“
„Weil er jemanden schützen will“, antwortete die Hauptkommissarin. „Seinen Sohn, nämlich.“
„Ich verstehe einfach nicht, was der Sohn für ein Motiv gehabt haben sollte.“ Erkner schüttelte den Kopf.
„Vielleicht wissen wir noch nicht alles? Gibt es noch das große
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