Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
und aus ihm herauskrochen. Am gegenüberliegenden Rand bildeten abgebrannte Teelichter ein gespenstisches Kreuz in der Erde und eine von den Maden halb skelettierte verweste Maus verströmte einen fauligen Gestank. In der Mitte hatte jemand aus vermoderten Holzstücken das Wort „Myra“ gebildet und mit kleinen rostigen Blechdöschen eingefasst. Eine fette Kröte saß regungslos innerhalb dieses magischen Kreises und schien tot zu sein.
Panikartig wich sie zurück, sie atmete hektisch, um den aufsteigenden Brechreiz zu unterdrücken.
In diesem Swimmingpool ist Szabos Frau Myra ertrunken, dachte Anna und erinnerte sich an Marys detaillierte Schilderung der damaligen Katastrophe. Verständlich, dass er den Pool zugeschüttet hatte. Aber diese morbide Inszenierung, das war total verrückt. Bei dem Gedanken an die zuckenden weißen Maden schüttelte sie sich vor Grauen. Noch mehr aber erschütterte sie dieser krasse Gegensatz zu Stefan Szabos Auftreten. Seine puristische Kleidung mit dem leicht militärischen Einschlag und seine fast rituellen Gewohnheiten entsprachen seinem reduzierten Lebensstil, der nur aus Kreativität und Sport zu bestehen schien.
Sie erinnerte sich an seine Mittagspausen, wenn Szabo in der Mikrowelle Gemüse kochte, immer die Kopfhörer im Ohr, und dabei oft minutenlang auf die sich drehende Platte starrte, dann das völlig zerkochte Gemüse mit einer Fertigsauce zu einem Brei verrührte und im Stehen aus einem Metalltopf hinunterschlang. Bei seiner Arbeit war er genauso. Oft saß er bei Brainstormings quälend lange am Tisch, ohne ein Wort zu sagen, er schien überhaupt nicht bei der Sache zu sein, um dann plötzlich eine unglaubliche Idee in die Runde zu werfen und die Mitarbeiter der Agentur zielorientiert und mit kreativer Energie anzufeuern. Dagegen herrschte hier eine grauenhafte Hoffnungslosigkeit, ein morbider Zerfall und eine fast schmerzhafte Perspektivenlosigkeit, darauf war Anna nicht vorbereitet gewesen.
Im Grunde kenne ich ihn überhaupt nicht, sinnierte sie weiter, während sie mit abgewandtem Gesicht und angehaltenem Atem den Pool umrundete. Ich weiß nur, dass er in Hamburg gearbeitet hat, ein exzessiver Läufer ist und den Sport als Ausgleich für die kreative Denkarbeit sieht. Aber sonst? Er hat nie ein Wort über seine tote Frau verloren, außer Sport scheint er kein Privatleben zu haben. Keine Affären, das hätte Mary sicher gewusst, aber auch keinerlei kulturelle Interessen, nicht einmal ins Kino geht er. „Zu viele Menschen, das beengt mich“, erinnerte sie sich an seine brüske Ablehnung, als sie die ganze Agentur auf einen Kinoabend eingeladen hatte. Doch sie war nicht hierher gekommen, um Szabos Privatleben zu analysieren, sie benötigte nur seinen kreativen Input.
Sie ging zügig über die Terrasse auf das Haus zu. Ein von der Sonne ausgebleichter Lamellenvorhang hinter den großen Glastüren versperrte ihr die Sicht ins Innere. Eine der Scheiben war gesprungen und notdürftig mit Klebeband fixiert worden. Erst jetzt bemerkte Anna, dass die breite Schiebetür einen Spalt weit offen war und sie trat durch den Türspalt ins Innere des Hauses. Sie befand sich jetzt auf einer Galerie, von der eine breite Treppe in die unteren Räume führte. Irgendwo aus dem Untergeschoß hörte sie dumpfe Rhythmen, stakkatoartige Stimmen, Musikfetzen, sie konnte den Sound nicht klar einordnen, aber eines schien sicher, Stefan Szabo war zu Hause.
Sie wollte gerade die Treppe nach unten gehen und dem Lärm folgen, als sie eine Hand an der Schulter fasste. Mit einem spitzen Schrei wirbelte sie herum.
„Mein Gott! Hast du mich erschreckt!“, rief Anna ganz außer Atem, als sie Szabo erblickte. „Ich habe dich gar nicht gehört!“
„Ich war nebenan“, sagte Szabo und betrachtete sie prüfend. Er war barfuß und trug nur ausgebleichte Jeans. In der Hand hielt er ein T-Shirt und auf seinem durchtrainierten Oberkörper entdeckte sie eine hässliche Narbe. Als Szabo ihren Blick bemerkte, zog er schnell das T-Shirt über. Erst jetzt schien er sich zu entspannen, obwohl seine Augenbrauen noch immer heftig zuckten.
„Anna! Das ist eine Überraschung! Was willst du?“, fragte er sachlich und steckte die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans. Trotzdem konnte sie die Aura der Wachsamkeit spüren, die er verströmte.
„Ich dachte, du könntest einen Blick auf das Konzept werfen“, sagte sie und klopfte auf ihre Tasche, in der sie die Unterlagen für Royal International
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