Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
seine Chance auf Jimmy und eine Familie in weite Ferne gerückt war.
Bin ich wirklich ein psychopathisches Arschloch?, fragte er sich, als er noch einige Zeit regungslos in seinem Wagen saß und versuchte, seine wirren Gedanken zu ordnen. Aber es gab niemand, den er fragen konnte. Er war tatsächlich alleine, das hatte Tatjana Drakovic in jener Nacht richtig erkannt. Doch statt in Selbstmitleid zu zerfließen, hatte ihm der Bericht der Familientherapeutin bei allem luftleeren Gerede doch die Augen geöffnet: Er war selbst schuld, dass in seinem Leben so vieles schieflief, er lebte wie in einer Raumkapsel ohne Bezug zur Außenwelt und ohne nennenswerte Kontakte, er war nur auf seine Arbeit konzentriert – er musste sein Leben ändern, das wusste er jetzt.
Nach dieser Bestandsaufnahme fuhr er überraschend ruhig zurück ins Polizeipräsidium und verbarrikadierte sich in seinem Büro. Gegenüber in der Einsatzzentrale liefen die Ermittlungen auf Hochtouren und durch die geschlossene Tür konnte er das Schrillen der Telefone hören, die hektischen Stimmen der Kollegen, die im Mordfall Bogdan Drakovic ermittelten.
Traurig betrachtete er die Slideshow auf seinem Bildschirm und immer, wenn er ein Bild von Jimmy näher betrachten wollte, wurde es von einem anderen überblendet. Es war wie ein nicht fassbarer Traum, bei dem die Bilder niemals Wirklichkeit wurden. Seufzend löschte er die Slideshow, auch das Bild der toten Yurika Mekas wanderte in den Papierkorb des Computers. Dann startete er den offiziellen Bildschirmschoner der Polizei, dieser war zwar auch keine Offenbarung, aber für Tony Braun war es so etwas wie ein Neuanfang.
Das Schrillen des Telefons riss ihn zurück in die Wirklichkeit, in der es darum, ging einen Killer zu fassen.
„Hallo Tony, Dr. Wagner will dich sofort sprechen!“ Die Stimme von Birgit, der Chefsekretärin, klang besorgt und Braun ahnte, dass dieser Termin nichts Gutes bedeutete.
„Noch einen kurzen Augenblick“, sagte er, um noch etwas Zeit zu gewinnen. „Ich bin mitten in einer Recherche.“
„Tony, der Big Boss will dich sofort sprechen!“, insistierte sie.
Das Büro von Big Boss Wagner war wie immer penibel aufgeräumt, auf dem Schreibtisch lag ein dünnes Häufchen Akten, parallel zur Schreibtischkante ausgerichtet. Dr. Wagner blätterte mit gerunzelter Stirn in einem Ordner und blickte ruckartig auf, so als wäre er von Brauns Eintreten überrascht worden. In einer Ecke des Büros lehnte ein Mann im grauen Anzug, die Hände vor der Brust verschränkt, und betrachtete Braun mit ausdrucksloser Miene. Vor dem Schreibtisch saß Oberstaatsanwalt Ritter in seinem obligaten Dreiteiler und erhob sich, um nicht in der schlechteren Position zu sein.
Volle Besetzung!, dachte Braun.
„Chefinspektor!“, sagte Dr. Wagner, stand auf und ging mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor der Besprechungsecke auf und ab. Ritter und der Typ im grauen Anzug standen wie Ölgötzen herum und machten den Eindruck, als wären sie nur zufällig hier. „Der Fall Bogdan Drakovic schlägt hohe Wellen“, fuhr Dr. Wagner fort, ohne sein nerviges Auf- und Abgehen zu beenden. „Er war ein prominenter Bürger unserer Stadt, ein Prominenter mit sozialem Engagement und natürlich ein Investor, der unglaublich viel für diese Stadt getan hat.“
„Ist das jetzt ein Nachruf, den sollten Sie sich für das Begräbnis sparen“, unterbrach ihn Braun, drehte sich dann zu Oberstaatsanwalt Ritter um und sagte demonstrativ: „Sie haben Ihren Golfpartner verloren, tut mir total leid“, dabei grinste er provokant.
„Absolut unqualifiziert, Braun. Das bestärkt nur das Bild, das ich von Ihnen habe!“, schoss der Oberstaatsanwalt giftig zurück.
„Danke, mir geht’s genauso“, konterte Braun und wandte sich wieder Big Boss Wagner zu. „Wollen Sie einen Bericht über den Stand der Ermittlungen? Dann muss ich Gruber dazuholen! Ich kann nur soviel dazu sagen: Es ist ein internationaler Killer, dasselbe Muster wie in Prag, derselbe Elektroschocker wie bei Yurika Mekas, auch wenn er das nicht wahrhaben will“, sagte er und deutete zu Ritter.
Dr. Wagner war der Verlauf des Gesprächs sichtlich unangenehm, sorgsam knetete er seine Hände.
„Das klingt alles hochinteressant, hat allerdings für uns keine Bedeutung mehr“, sagte Dr. Wagner gedehnt und betrachtete konzentriert seine glänzenden Schuhspitzen, als würde er von dort Unterstützung bekommen.
„Was soll das schon wieder?“, entrüstete
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