Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
meine, Sie wären in jedem Fall von den Ermittlungen abgezogen worden“, murmelte er verlegen.
„Woher wissen Sie das?“ Jetzt war Braun absolut in der Defensive, kopfschüttelnd stand er vor dem Big Boss und wiederholte stumpfsinnig: „Woher wissen Sie das?“
„Sie hat es mir selbst erzählt“, sagte Dr. Wagner und gab ihm eine kurze Zusammenfassung seines Gesprächs mit Tatjana Drakovic.
„Dieses Miststück! Sie hat das absichtlich gemacht, dieses Miststück!“, fluchte Braun und kam sich in diesem Moment unglaublich dumm vor.
„So sind die Frauen nun einmal“, versuchte ihn Dr. Wagner zu beruhigen. „Nehmen Sie sich Urlaub, Chefinspektor, da können Sie machen, was Sie wollen. Das geht mich nichts an! Sie verstehen?“ Er zwinkerte Braun verschwörerisch zu. „Was Sie in Ihrer Freizeit machen, ist Ihre Angelegenheit.“
Nachdenklich nickte Braun. Er konnte auf eigene Faust recherchieren und diese Zeit wollte er auch nützen. Sein Privatleben war nicht vorhanden, der Traum von einer glücklichen Beziehung zu seinem Sohn hatte sich in Luft aufgelöst und alles, was ihm blieb war, die Suche nach dem Mörder und seinem Motiv. Er hatte plötzlich kein Ziel mehr, er hatte nichts!
Auf dem Weg zurück in sein Büro machte er einen kurzen Abstecher in die Einsatzzentrale. Gruber war bereits über den Abzug des Falls informiert und schaufelte die elektronischen Daten auf den Server des Innenministeriums. Die anderen Beamten ließen enttäuscht die Köpfe hängen. Die Ermittlungen waren gerade erst richtig angelaufen und schon hieß es wieder aufhören. Das war für keinen einfach.
„Mach auch für mich einen Datensatz“, sagte Braun, als er sich zu Gruber an den Schreibtisch setzte.
„Wird gemacht, Chef! Wie war übrigens heute die Verhandlung über das Sorgerecht für Ihren Sohn?“, fragte Gruber.
„Verloren, was sonst“, antwortete Braun und zuckte müde mit den Schultern. „Ich habe wie immer im richtigen Augenblick ein wenig überreagiert!“
„Chef, Sie lernen wohl überhaupt nie etwas dazu.“ Gruber schüttelte mitleidig den Kopf.
„Spar dir deine Klugscheißer-Kommentare“, meinte Braun, klopfte Gruber aber aufmunternd auf die Schulter, ehe er die Einsatzzentrale verließ und in sein Büro ging.
*
Die Buchhaltungsordner wurden von der Rückbank geschleudert, als Anna Lange mit quietschenden Reifen ihren Mini vor dem Polizeipräsidium abbremste. Rechnungen, Belege und Kontoauszüge flatterten auf die Fußmatte und vermischten sich mit leeren Coladosen, fettigen Pappschachteln und schmutzigen Servietten zu einem unentwirrbaren Chaos. Das Leben, das sie immer so verbissen kontrolliert hatte, begann immer stärker auseinanderzubrechen, die Unordnung in ihrem Auto war dafür ein sichtbares Zeichen.
Das dreistöckige Gebäude mit den vom Regen und den Abgasen geschwärzten Waschbetonsteinen aus den siebziger Jahren erschien ihr abweisend und bedrohlich. Die abgetretenen Stufen zum Haupteingang und der schusssichere Glaskasten für den Empfang, der neu dazugebaut worden war, verstärkten die bedrückende Aura des Polizeipräsidiums noch mehr.
Beim Aussteigen kramte Anna routinemäßig ihr Handy aus der Tasche und stellte fest, dass eine neue Nachricht auf ihrer Mailbox gelandet war. Während sie die Stufen hinaufhastete, hörte sie die Nachricht von Alex Huber, der ihr in kurzen und knappen Worten mitteilte, dass am nächsten Tag ein Meeting mit Igor Drakovic in Palma vereinbart sei und sie noch heute Abend mit ihm nach Mallorca fliegen müsse. Sie nahm die Nachricht nur mit einem halben Ohr wahr, zu sehr waren ihre Gedanken mit ihrem Vater beschäftigt, der irgendwo in dem düsteren Gebäude in einer Zelle hockte und wartete. Worauf eigentlich? Wartete er auf seinen Anwalt, der ihn aus dieser Situation herausboxen sollte, oder auf jemand anderen? Wartete er vielleicht auf sie und wollte den kümmerlichen Rest seiner Familie hinter sich wissen? Die Familie, die ihm den Rücken stärkte und bedingungslos an seine Unschuld glaubte, ihm durch diesen Glauben die Kraft gab, durchzuhalten. Sie würde ihm diese Kraft geben, zu lange hatte sie sich nur um ihre eigenen Probleme gekümmert. Jetzt war es an der Zeit, an die Familie zu denken und das bedeutete: Sie musste für ihren Vater da sein!
Der Polizist in dem schusssicheren Glaskasten beim Eingang blätterte in einem abgegriffenen Magazin und war völlig in seine Lektüre vertieft. Doch als Anna an ihm vorbeihasten wollte, blickte er
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