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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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als Bürogehilfin in einem
großen Autohaus gefunden und ein möbliertes Dachzimmer bezogen, das ihr eine
ihrer neuen Kolleginnen vermietet hatte.
    Claudia hatte ihre Arbeitszeit so einteilen können, dass sie, wenn
Knut mittags von der Schule kam, für zwei Stunden zu Hause war, um mit ihm zu
essen. Dann kontrollierte sie seine Hausaufgaben. Knut war ein mittelmäßiger
Schüler, konnte dem Unterricht aber dank der Unterstützung seiner Mutter
folgen. Eine ältere Schülerin gab nachmittags auf Knut acht, solange Claudia
arbeitet.
    Langsam verödete der Schmerz ihrer Erinnerungen. Schließlich fühlte sie
sich in der Lage, die immer drängender werdenden Fragen ihres Sohnes zu
beantworten. Allerdings sollte ihre Antwort eine Lüge sein.
    »Mama, heute wolltest du mir erzählen, warum die anderen Kinder
einen Papa haben und ich nicht.«
    Claudia Tohmeier atmete tief durch und schüttelte die Bettdecke
ihres Sohnes auf. »Hast du dir die Zähne geputzt?«
    »Du hast es versprochen«, quengelte Knut.
    »Hast du?«
    »Hab ich vergessen«, gestand der Kleine.
    Claudia gab ihrem Sohn einen liebevollen Klaps auf den Po. »Ab ins
Bad. Zähneputzen. Aber ordentlich. Dann können wir darüber reden.«
    Der Junge sprang ins Bad. Seine Mutter, froh über den Zeitgewinn,
ging in Gedanken noch einmal die Geschichte durch, über die sie seit Wochen
gegrübelt hatte. Claudia hörte Knut demonstrativ laut gurgeln. Kurz darauf war
er wieder im Zimmer, sprang mit einem Satz ins Bett und sah seine Mutter erwartungsvoll
an.
    »Ich weiß nicht, wo dein Papa ist«, begann sie zögernd.
    »Warum nicht?«
    »Als du noch ganz klein warst, musste dein Papa ganz weit wegfahren.«
    »Warum?«
    »Er musste arbeiten. So ähnlich wie Herr Müllbreit.«
    Egon Müllbreit wohnte mit
seiner Frau im selben Haus. Er war Fernfahrer. Seitdem er Knut einmal im
Führerhaus seines Kraftwagens auf eine kurze Tour mitgenommen hatte und der
Junge anschließend am großen Lenker drehen und die Hupe betätigen durfte, waren
Fernfahrer das Größte für Knut.
    »Mit einem Laster?«
    »Ja, mit einem Laster. Und wie Herr Müllbreit
blieb er manchmal auch über Nacht weg.«
    Knut staunte Bauklötze. »Mein Papa hat auch so einen großen Laster
wie Herr Müllbreit?«
    »Ja.«
    »Aber warum ist er nicht hier und lässt mich mitfahren?«
    »Das will ich dir ja gerade erklären. Also, dein Papa musste weit
wegfahren.«
    »Wohin?«
    Claudia Tohmeier seufzte. »Nach Afrika.«
    »Dahin, wo es die wilden Tiere gibt, die wir im Allwetterzoo gesehen
haben?«
    »Genau dahin. Dein Papa hat den kleinen Kindern im Dschungel Essen
gebracht.«
    »Mit dem Laster?«
    »Ja, mit dem Laster. Er musste das tun. Die Kinder hätten sonst
Hunger gehabt und wären vielleicht gestorben. Das wollte dein Papa nicht. Das
würdest du doch auch nicht wollen, oder?«
    Knut schüttelte heftig den Kopf.
    »Siehst du. Auf dem Rückweg dann hat er einen Unfall gehabt. Und dabei
ist er gestorben.«
    Knuts Augen füllten sich mit Tränen.
    Claudia streichelte ihrem Sohn über das Haar. »Dein Papa hatte dich
ganz lieb. Er hätte bestimmt nicht gewollt, dass du weinst. Wir beide kommen
doch ganz prima alleine klar. Was meinst du? Sollen wir morgen nach Münster
fahren?«
    Der Junge nickte zögernd.
    »Du darfst dir in dem Spielzeuggeschäft auch einen Laster zum Spielen
aussuchen.«
    Jetzt strahlte Knut wieder. »So einen, wie ihn mein Papa hatte?«
    »Genau so einen.«

3
    Es war zu kalt für Mitte Mai. Ein Hochdruckgebiet über den
Britischen Inseln und ein ebenso stabiles Tief über Osteuropa schaufelten
gemeinsam kühle und feuchte Luft vom Nordatlantik nach Mitteleuropa. Der immer
wieder stürmisch auffrischende Wind peitschte tief hängende Wolken über das
Watt. Der drohende Regen aber war bisher ausgeblieben.
    Als sich die Fähre Juist näherte, machte der Kapitän Fahrgäste und
Inselbewohner mit einem langen Tonsignal auf die Ankunft der Frisia IX aufmerksam. Kurz darauf legte das Schiff mit einem
leichten Ruck am Kai an.
    Rainer Esch griff zu seiner Lederjacke, hängte sich die Laptoptasche
über die Schulter und verließ mit einigen Hundert anderen erwartungsfrohen
Urlaubern die Fähre. Schon auf dem Weg zur Ankunftshalle packte ihn die erste
Windböe. Der Anwalt schlug den Kragen seiner Jacke höher, warf, wie viele
andere auch, einen skeptischen Blick zum Himmel und passierte kurz darauf die
Fahrkartenkontrolle. Direkt am Ausgang warteten schon die Kofferträger der
großen Inselhotels,

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