Töwerland brennt
erkennbar an den Schirmmützen mit den aufgestickten Namen
ihrer Arbeitgeber. Einer der Träger begleitete Esch zum Gepäckcontainer,
wuchtete dessen Reisetasche auf den Fahrradanhänger und schaute fragend auf
Rainers Laptop. Der Anwalt lehnte dankend ab, steckte dem Mann ein Geldstück zu
und bummelte ins Ortsinnere. Er kannte sich aus. Es war bereits sein zweiter Besuch
auf Juist.
Nach einem Fußmarsch von nur wenigen Minuten befand er sich an der
Rezeption des Hotel Pabst , nahm seinen Zimmerschlüssel
in Empfang und bezog Quartier in einem der ersten Häuser der Insel.
Sein Gepäck war bereits auf das Zimmer gebracht worden. Rainer zog
seine Schuhe aus, ließ sich rücklings auf das Bett fallen und schloss die
Augen, um nachzudenken.
Gerrit Harms hatte Esch gebeten, zunächst nur telefonisch mit ihm in
Kontakt zu treten. Der Hotelier wollte ausschließen, dass jemand aus Eschs
Anwesenheit die richtigen Schlussfolgerungen zog. Der Anwalt sei als derjenige
auf der Insel bekannt, der an der Aufklärung des letzten Mordes auf Juist
beteiligt gewesen war. Jemand konnte ihn wiedererkennen. Und wenn Harms, der
von den Brandstiftungen Hauptbetroffene, mit ihm gesehen wurde, könnten Fragen
nach dem Grund für die Anwesenheit des Anwalts laut werden. Fragen, die Harms
nach Möglichkeit vermeiden wollte.
Nach kurzem Nachdenken hatte Rainer zu bedenken gegeben, dass er
über kurz oder lang auf jeden Fall mit den Brandstiftungen in Verbindung
gebracht werden würde. Immerhin musste Esch Erkundigungen einholen und das
würde sich herumsprechen. Juist war ein Dorf – nichts blieb hier lange geheim.
Die beiden Männer hatten sich deshalb darauf geeinigt, dass Esch
sich als Beauftragter der Versicherung ausgeben sollte, die für Feuerschaden
aufkommen musste. Das würde seine Anwesenheit, sollte er erkannt werden,
plausibel erklären. Bisher hatte sich noch kein Versicherungsagent vor Ort
gezeigt, sondern die Gesellschaft hatte den Schaden auf Basis der Aktenlage
reguliert. Den Brand in der Abstellkammer hatte Harms bisher noch nicht
gemeldet. So war die Gefahr gering, dass tatsächlich ein Beauftragter der
Assekuranz auf der Nordseeinsel auftauchen und Rainers Legende gefährden
konnte.
In den letzten Tagen hatte sich Esch fast ständig den Kopf darüber
zerbrochen, wie er vorgehen sollte. Aber es war ihm einfach nichts eingefallen.
Seine Lebensgefährtin und Kollegin Elke Schlüter, mit der er den Auftrag seines
neuen Mandanten diskutieren wollte, hatte nur ihren Kopf geschüttelt und ihn
daran erinnert, dass besonders ein Anwalt verpflichtet sei, Straftaten
anzuzeigen. Schließlich läge es auch im Interesse seines Mandanten, dass der
Brandstifter gefasst würde. Ein Amateur wie Rainer solle sich aus solchen
Ermittlungen heraushalten. Diese Bemerkung seiner Liebsten traf Esch schwer,
hatte er sich doch immer eingebildet, dass Elke insgeheim stolz darauf war, mit
einem Anwalt liiert zu sein, der sich von Zeit zu Zeit als Detektiv betätigte.
Sie hatte ihre Meinung auch nicht geändert, als er ihr die Höhe des
vereinbarten Honorars nannte.
»Zweihundert Euro am Tag sind eine Menge Geld«, hatte sie ihm
zugestimmt. »Aber egal, wie viel Kohle dieser Hotelbesitzer auf den Tisch blättert,
du solltest das Mandat niederlegen und die Kripo einschalten.«
Als Rainer ihr zu erklären versuchte, dass sie mit dem Geld die
Neueinrichtung des Kinderzimmers würden bezahlen können, war Elke wütend aufgesprungen
und hatte mit gefährlich leiser Stimme entgegnet: »Du machst ja ohnehin, was du
willst. Warum fragst du mich überhaupt?« Damit war die Diskussion beendet
gewesen.
Je mehr er darüber nachdachte, desto logischer erschien ihm Elkes
Hinweis auf die Staatsmacht. Allerdings würde er sich nicht an die Kriminalpolizei
in Aurich wenden, sondern der Juister Polizei einen Besuch abstatten. Schließlich kannte er den einzigen dauerhaft
auf Juist tätigen Beamten persönlich. Enno Altehuus würde sich sicher freuen,
ihn wiederzusehen. Bei dieser Gelegenheit würde er erwähnen, dass er im Auftrag
einer Versicherung auf Juist war und sich dann vorsichtig nach dem Stand der
polizeilichen Ermittlungen erkundigen. Danach konnte er Elke gegenüber mit Fug
und Recht behaupten, mit der Polizei gesprochen zu haben. Auch wenn er sich
dessen bewusst war, dass Elke etwas anderes im Sinn gehabt hatte.
Zufrieden drehte sich Rainer auf die Seite. Er hatte einen Plan. Zumindest
einen groben. Er zog die Bettdecke etwas über sich und war
Weitere Kostenlose Bücher