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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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machen.
    Angesichts des guten Wetters machte sich Knut keine großen Sorgen und beschloss, notfalls am Strand
zu nächtigen.
    Bei einem der Gepäckträger, die am Juister Hafen auf Kunden
warteten, brachte er in Erfahrung, dass sich das Sanddornhotel im Ostdorf befand. Es sei ganz leicht zu finden, erklärte ihm der Mann: an der
evangelischen Kirche vorbei, dann an der katholischen. Immer geradeaus bis fast
zum Ortsausgang. Dort liege das Hotel auf der rechten Seite.
    Als Knut die Kirche an der Mittelstraße passierte, folgte er einer
plötzlichen Eingebung und betrat den kleinen Friedhof. Suchend schritt er durch
die Reihen, bis er schließlich vor einem Grabstein aus dunklem Marmor stehen
blieb. Die Gruft der Familie Harms. Malte Harms war
da goldunterlegt eingemeißelt. Darunter das Geburts- und Sterbedatum: 12.
September 1933, 8. Oktober 1990. Knut starrte die Zahlen an und wurde sich
bewusst, dass er außer ihnen fast nichts über seinen Vater wusste.
    Das Läuten der Glocken schreckte ihn auf. Er sah auf die Uhr. Fast
zwanzig Minuten hatte er in Gedanken versunken an der Grabstelle verbracht. Er
überlegte kurz, ob er Blumen am Grab niederlegen sollte, entschied sich jedoch
dagegen. Das würde möglicherweise unnötige Aufmerksamkeit bei der Familie Harms
hervorrufen. Genau das wollte er um jeden Preis vermeiden.
    Kurz darauf stand er vor dem Hotel. Ein dreigeschossiger, roter Klinkerbau.
Wie so viele der Häuser auf Juist. Eine breite Treppe führte drei Stufen hoch
zum Eingang. Knut blieb einen Moment stehen. Dafür also hatte Malte Harms ihn
und seine Mutter verstoßen. Ein Hotel für zwei Leben. Und für die Gunst einer anderen
Frau.
    Innerlich aufgewühlt ging er zurück in den Ort, trank ein Bier an
der Strandpromenade, aß eine Kleinigkeit. Auf die Suche nach einem Zimmer
verzichtete er und sah sich später stattdessen jenseits des bewachten
Strandabschnitts nach einer Stelle in den Dünen um, an der er die Nacht verbringen
konnte.
    Als er an seinem Schlafplatz lag und dem monotonen Rauschen der
Wellen lauschte, hing er seinen trüben Gedanken nach. Nachdem es dunkel
geworden war, suchte sein Blick im klaren Sternenhimmel die Sternzeichen, die
ihm früher seine Mutter erklärt hatte: Großer und Kleiner Bär, Schlange und
Zwilling.
    Traurig schlief er ein. Aber ohne Tränen.

28
    Heike zog die Papiere aus dem Kuvert und deponierte sie
auf dem Schreibtisch. Ganz oben fand sich eine neuere Versicherungspolice für
ihr Hotel. Die junge Frau legte sie beiseite. Die nächsten Papierbögen
versprachen interessanter zu werden: Heike hatte das handschriftliche Testament
ihrer Mutter vor sich.
    Sie hatte es erst vor wenigen Tagen, nämlich am 12. Mai,
unterschrieben. Einleitend las Heike, dass dieser letzte Wille alle vorherigen
Verfügungen hinfällig machen sollte. Demnach erbte Gerrit das Hotel, Heike
lediglich eine kleine Wohnung, die ihre Eltern vor Jahren in Norden gekauft
hatten.
    Sie war bestürzt. Damit hatte sie nicht gerechnet. In diesem Testament
hatte ihre Mutter sie quasi enterbt und auf das Pflichtteil der Erbschaft
reduziert.
    Heike fühlte sich betrogen:
    Um ihre Versuche, es ihrer Familie immer wieder recht zu machen.
    Um die Zeit, in der sie für einen Hungerlohn im Hotel ihrer Eltern
gearbeitet hatte.
    Schließlich um das Stück
Leben, das für alle Zeiten auf Juist bleiben würde.
    Minutenlang saß sie reglos da, das Testament in der Hand. Dann kam
ihr ein Gedanke.
    Konnte Gerrit von der Verfügung wissen? Vielleicht hatte ihre Mutter
ihm davon erzählt. Aber konnte er beweisen, dass es ein solches Schriftstück
gegeben hatte? Nur wenn er selbst über eine Abschrift verfügte. So
selbstgerecht, wie ihre Mutter in den letzten Wochen gewesen war, hätte sie
einer solchen Kopie bestimmt nicht zugestimmt. Außerdem: Nur Originaldokumente
hatten vor dem Nachlassgericht Bestand. Da war sie sich sicher. Keine Kopien.
Wenn aber ein älteres Testament bei einem Notar hinterlegt war? Und wenn schon,
sagte sie sich. Weniger als den Pflichtteil bekomme ich ohnehin nicht.
    Ihr Entschluss stand damit fest. Sie erhob sich, ging zum Kamin und
griff zum Feuerzeug. Sekunden später sah Heike zu, wie der letzte Wille ihrer
Mutter zu Asche verbrannte.
    Als die Flammen erloschen waren, vergewisserte sie sich, dass nicht
ein Fitzelchen Papier übrig geblieben war. Sie holte den Staubsauger aus der
Abstellkammer und reinigte den Kamin. Den Staubbeutel würde sie später
entsorgen. Das Testament ihrer Mutter hatte

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