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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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vorzulegen. Sein Vater war
nach den Angaben des Notars in diesem Monat verstorben. Knut hoffte, dass es
nicht zu viele Menschen gab, die in diesem Zeitraum auf einer der Inseln das
Zeitliche gesegnet hatten. Aber hatte es auch eine Anzeige gegeben?
    Natürlich, beruhigte er sich.
Der Tod eines Hotelbesitzers musste der Öffentlichkeit doch bekannt gegeben
werden.
    Wenig später lagen die voluminösen, in Pappe gebundenen Bände vor
ihm auf dem Platz im Leseraum. Er schob seinen Stuhl näher an den Tisch heran,
zog den ersten der vier Bände zu sich und begann, darin zu blättern.
    Er brauchte nicht lange zu suchen. Schon in der Ausgabe des Ostfriesischen Kuriers vom 9. Oktober wurde er fündig.
    Die Todesanzeige war nicht zu übersehen, da sie fast eine halbe
Seite einnahm. Links oben trompetete ein nackter Engel, rechts prangte ein
Kreuz. Malte Harms war, plötzlich und unerwartet, am 8. Oktober auf Juist
verstorben. Seine Frau Maria und die Kinder Heike und Gerrit trauerten mit den
restlichen Verwandten. Und darunter stand noch eine zweite Anzeige. Ebenso
groß. Das gleiche Kreuz. Nur der Himmelsbote war durch einen stilisierten Baum
vor einer diffusen Sonne ersetzt worden. Die Belegschaft des Sanddornhotels auf Juist bekundete ihr Mitgefühl.
    Knut war wie elektrisiert. War Malte Harms sein Vater? Er notierte
sich die Lebensdaten und die Anschrift des Trauerhauses auf Juist. Hastig
schlug er in den restlichen Zeitungen des Monats nach. Fehlanzeige. Nur Malte
Harms kam infrage.
    Nun noch ein Anruf und wenn alles so lief, wie er es sich
vorgestellt hatte, wusste er in wenigen Minuten, ob er seinen Vater gefunden
hatte.
    Er verließ das Archiv. In der Nähe befand sich eine Telefonzelle.
Knut betrat sie, warf Kleingeld in den Schlitz und wählte die Nummer des Notars,
der ihm vor zwölf Jahren den Brief geschrieben hatte.
    »Anwaltspraxis Doktor Niebüll«, meldete sich eine weibliche Stimme.
»Was kann ich für Sie tun?«
    »Gerrit Harms«, log Knut. »Ich rufe an in der Sache Tohmeier. Mein
verstorbener Vater hat Zahlungen an Herrn Tohmeier durch Herrn Doktor Niebüll
veranlasst. Ein Schlussbetrag musste im März 1994 auf Herrn Tohmeiers Konto
überwiesen werden. Ich möchte wissen, ob diese Zahlung erfolgt ist.«
    »Das ist mehr als zehn Jahre her.«
    Der ungehaltene Ton der Anwaltsgehilfin bewog Knut, seinerseits
etwas bestimmter aufzutreten. »Was Sie nicht sagen.
Wäre Sie jetzt so freundlich, mir Auskunft zu erteilen?«
    »Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«
    »Gerrit Harms.«
    »Und der des Empfängers?«
    »Knut Tohmeier.«
    »Die Akte muss ich erst aus dem Keller holen. Das kann dauern.«
    »Ich warte gern.«
    »Einen Moment bitte.«
    Er musste fast zehn Minuten warten. In dieser Zeit hörte er nur das
Klappern von Tastaturen und gedämpftes Gemurmel.
    Dann meldete sich die Stimme wieder. »Ich habe hier einen Vorgang.
Allerdings bin ich nicht befugt, solche Auskünfte am Telefon …«
    »Das verstehe ich vollkommen«, unterbrach sie Knut. »Wissen Sie, ich
kenne den Betrag, um den es geht. Mich interessiert lediglich, ob das Geld wie
vereinbart geflossen ist.«
    Die Angestellte zögerte. »Ich weiß nicht … Es sind mehrere Beträge
gezahlt worden.«
    »Es geht mir nur um die letzte Summe von 5.000 Mark. Die Märzzahlung.
Ich muss doch für diese Kleinigkeit nicht extra von Juist nach Norden kommen,
oder?«
    »Nein, Herr Harms, sicher nicht. Ja, die Zahlung ist damals erfolgt.
Wie vereinbart.«
    Knut bedankte sich, legte auf und atmete tief durch. Jetzt hatte er
die Bestätigung: Malte Harms war sein Vater.
    Die Fähre nach Juist von Norddeich Mole legte, eine halbe Stunde
nachdem er mit dem Bus angekommen war, ab. Es war früher Nachmittag. Die Sonne
stand hoch am Himmel. Tief befriedigt suchte er sich einen Platz am Oberdeck.
Er war noch nie auf einer der Nordseeinseln gewesen und freute sich auf die Überfahrt.
    Neben ihm saß ein älteres Ehepaar, mit dem er ins Gespräch kam. So
erfuhr er, dass die Fähre nicht – wie er angenommen hatte – noch am heutigen
Tag zurückfuhr, sondern erst am nächsten Morgen. Auf seine Frage, wo er denn
auf Juist übernachten könne, reagierten die Eheleute mit freundlichem Unverständnis.
Ohne vorherige Buchung dürfte es mitten in der Ferienzeit schwer sein, ein
Hotel oder eine Pension zu finden, noch dazu für lediglich eine Nacht. Aber
vielleicht sei ja einer der gebuchten Gäste kurzfristig abgesprungen. Er müsse
sich auf eine längere Suche gefasst

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