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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt
Autoren: J Zweyer
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folgten dem
ablaufenden Wasser in Richtung Kalfamergat. Dabei drehte sich Anneliese
Bartholdy, die hinter ihrem Mann Walter herstapfte, alle paar Meter um und
registrierte mit zusammengekniffenen Lippen die wachsende Entfernung zum Ufer.
    »Ist das nicht zu gefährlich, wenn wir so weit weg von der Insel
sind?«, fragte sie besorgt ihren Gatten.
    »Nein, Liebes, du musst dich nicht ängstigen. Die Flut kommt erst in
einigen Stunden. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und die
Wettervorhersage verspricht strahlendes Sommerwetter für heute.«
    Die Zuversicht Walters beruhigte Anneliese nur wenig. Ihr erschienen
die Menschen, die sie auf der Flugplatzstraße ausmachen konnte, wie Spielzeugfiguren.
So weit entfernt.
    An einem Priel, der noch Wasser führte, stoppte ihr Mann und wandte
sich an Anneliese: »Der sieht etwas tief aus, oder?«
    Anneliese, voller Hoffnung, dass die natürliche Barriere Walter zur
Umkehr bewegen würde, stimmte sofort zu. »Das meine ich auch.«
    Ihre Erwartung wurde jedoch jäh zerstört, als Walther erwiderte:
»Dann gehen wir weiter Richtung Osten.
Vielleicht sehen wir am Kalfamer ja Seehunde. Ich habe die Kamera im Rucksack.
Das wären Motive«, schwärmte er und lief los.
    Genervt folgte ihm Anneliese, war jedoch etwas weniger ängstlich,
weil sie sich nicht weiter von der Insel weg bewegten, sondern parallel zum Ufer
marschierten. Dumm nur, dass sie ein Schlickfeld passieren mussten. Sie versanken
bis zu den Waden in der blauschwarzen Masse und konnten sich nur mit Mühe
fortbewegen. Erst nach Minuten erreichten sie wieder festeren Grund unter ihren
Füßen.
    Die Aussichtsplattform des
Otto-Leege-Pfads lag fast genau nördlich von ihnen, als Walter Bartholdy einige
Hundert Meter entfernt eine auffällige Erhöhung im ansonsten flachen Watt
ausmachte. »Was ist das denn? Ein Seehund?«, fragte er Anneliese.
    Diese starrte angestrengt in die Richtung, in die Walter wies. »Ich
kann nichts erkennen.«
    »Warte.« Er nahm den Rucksack ab, öffnete ihn und suchte mit einer
Hand darin. »Irgendwo muss doch das Fernglas … Hast du das Glas nicht
eingepackt?« Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    »Ich? Du hast doch die Sachen zurechtgelegt.«
    »Aber ich hatte dich gebeten, den Feldstecher aus dem Koffer zu holen.«
    Anneliese schwieg. Solche Auseinandersetzungen gehörten zu den Ritualen
ihrer Ehe, mit denen sie sich nach nun fast dreißig Jahren abgefunden hatte.
Wann immer etwas schiefging, machte Walter nicht sich, sondern sie dafür
verantwortlich.
    »Jetzt brauche ich dieses verdammte Fernglas einmal im Leben und du
lässt es im Hotelzimmer liegen«, schimpfte Walter und zog die Digitalkamera aus
dem Rucksack. Beim Versuch, sich den Trageriemen des Apparates überzustreifen,
rutschte ihm die Tasche aus der Hand und fiel zu Boden. Dummerweise befand sich
genau dort eine Vertiefung, in der sich Meerwasser gesammelt hatte. Der
Rucksack stürzte um, und noch ehe Walter reagieren konnte, waren das Teil und
sein Inhalt durchnässt.
    »Verdammter Mist«, schimpfte er los. »Das auch noch. Wenn du nur das
Fernglas eingesteckt hättest, wäre das alles nicht passiert.«
    Anneliese tat das, was sich in solchen Situationen bewährt hatte:
Sie sagte kein Wort.
    Nach einigen Minuten hatte sich ihr Liebster wieder abgeregt. »Dann
laufe ich eben da hin und sehe nach«, meinte er trotzig und machte sich auf den
Weg.
    Anneliese, die immer weniger Lust hatte, sich durch das Watt zu
quälen, folgte ihm widerstrebend. Alleine in dieser ihr mittlerweile feindlich vorkommenden Umwelt zu bleiben, erschien
ihr noch schlimmer, als die Launen ihres Gatten zu ertragen. »Warte«, rief sie.
»Ich kann nicht so schnell.«
    Und tatsächlich blieb Walter stehen, was Anneliese trotz seinem unmöglichen
Verhalten vorhin dankbar registrierte. Manchmal ist der Mensch auch mit
Kleinigkeiten zufrieden, dachte sie und griff nach dem Arm ihres Mannes.
    Der kleine Hügel, den Walter ausgemacht hatte, entpuppte sich zu
seiner Enttäuschung aus der Nähe nicht als Seehund, sondern als Schlamm, der
sich um einen größeren Gegenstand gesammelt hatte.
    Das Ehepaar ging die letzten Schritte und blieb schließlich vor der
Erhebung stehen. Jetzt konnten sie genauer erkennen, um was es sich handelte.
    Anneliese Bartholdy fing hysterisch an zu schreien, als sie
realisierte, dass da der Oberkörper eines Menschen lag, halb begraben unter
Dreck und Schlick.
    Als ihr Mann sich wieder gefasst hatte, griff er
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