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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt
Autoren: J Zweyer
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geistesgegenwärtig
zur Kamera und lichtete die Stelle und die Umgebung ab. Vor allem achtete er
darauf, die Insel von seinem Standort aus zu fotografieren. So hoffte er, den
Fundort der Leiche zu dokumentieren und wiederzufinden.
    »Nun beruhige dich endlich!«, brüllte er seine Frau an. »Wir müssen
die Polizei verständigen. Hast du das Handy eingesteckt?«
    Für einen Moment unterbrach Anneliese ihr Geschrei, sah ihren Gatten
erstaunt an und jammerte: »Das wolltest du doch machen.« Der Gesichtsausdruck
ihres Ehemannes trug entscheidend dazu bei, dass sie danach lauter schrie als
vorher. Auch dann noch, als er sie durch die Salzwiesen Richtung Straße zerrte.
    Enno Altehuus hatte Erfahrung in der Aufklärung juist-typischer
Verbrechen: Da gab es aufgeregte Urlauberinnen,
deren Handtasche angeblich am Strand gestohlen wurde und die sich wenig später
in der Pension wiederfand, verloren gegangene Fahrräder, deren Besitzer sich
nur nicht mehr erinnern konnten, wo sie die Drahtesel abgestellt hatten, oder
vermisste Gepäckstücke, die nicht gestohlen, sondern nur in einem anderen
Koffercontainer an der Mole in Norddeich aufgegeben worden waren.
    Wattwanderer allerdings, die
felsenfest behaupteten, im Watt eine halb eingegrabene und verweste Leiche
entdeckt zu haben, kamen nicht alle Tage in die Polizeiwache an der
Carl-Stegmann-Straße.
    Der Polizist hatte dem Ehepaar, das
da am späten Donnerstagvormittag aufgelöst und mit völlig durchnässten Schuhen
vor ihm stand, zunächst einen Tee angeboten. So recht schlau wurde er nicht aus
dem unzusammenhängenden Redeschwall der beiden und hoffte, das Heißgetränk
würde etwas zur Beruhigung beitragen.
    »Hier, schauen Sie«, brach es aus Walter Bartholdy erneut hervor.
»Das ist die Leiche.« Er hielt Altehuus das Display seiner Kamera vor die Nase.
Unglücklicherweise hatte Bartholdy, als er seinen Fund fotografisch
dokumentierte, nicht darauf geachtet, dass die Strahlen der Sonne vom feuchten
Watt reflektiert wurden. Auf dem hoffnungslos überbelichteten Foto war nicht
mehr als ein dunkler Haufen vor hellem Hintergrund zu erkennen. Auch alle
anderen Bilder waren nicht zu gebrauchen.
    »Sie müssen uns glauben. Da draußen im Watt liegt tatsächlich eine
Leiche.«
    »Und wo soll das sein?«
    »Wir sind im Watt dem Deich in östliche Richtung gefolgt, bis er
nach Norden abknickt. Wissen Sie, wo das ist?«
    Verärgert grunzte Altehuus Zustimmung.
    »Von dort sind wir vielleicht vierhundert Meter weiter nach Osten gelaufen.
Da lag sie dann.«
    Je länger die beiden Eheleute auf Altehuus einredeten, desto eher
war der Polizist geneigt, ihnen zu glauben. Schließlich wurden von Zeit zu Zeit
tatsächlich Leichen an den Nordseeinseln angeschwemmt, in der Regel allerdings
an der Strand- und nicht der Wattseite.
    Aber es war natürlich nicht auszuschließen, dass das Ehepaar die
Wahrheit sagte. Deshalb lud sich Altehuus die
Bilder, die Bartholdy geknipst hatte, trotz ihrer miserablen Qualität auf
seinen Rechner, nahm ein Protokoll und die Personalien des Paares auf und
entließ die aufgeregten Urlauber mit der Zusage, sich um die Angelegenheit zu
kümmern.
    Natürlich hatte er sich sofort gefragt, ob der Leichenfund etwas mit
Harms’ Verschwinden zu tun haben könnte. Aber warum sollte der Hotelbesitzer
sich erst in den Flieger setzen und dann heimlich zurückkehren, um im Watt vor
Juist zu sterben? Außerdem war Harms ein geübter Schwimmer. Noch im letzten
Sommer war Altehuus mit ihm um die Wette geschwommen. Sich im Watt zu ersäufen,
dürfte für den Hotelier nicht so einfach sein, selbst wenn das Wasser tief
genug war. Und das war normalerweise an der Stelle, die die Urlauber
beschrieben hatten, nicht der Fall. Nein, Altehuus glaubte nicht, dass Harms
der Tote war, den die Bartholdys gefunden hatten.
    Der Inselpolizist sah auf die
Uhr: kurz vor elf. Die Flut kam. Da dürfte außer Wasser nichts mehr an der
vermeintlichen Fundstelle auszumachen sein. Sicherheitshalber radelte er
trotzdem dorthin. Wie erwartet, war das Meer bis zu den Salzwiesen
vorgedrungen. Hier gab es in den nächsten Stunden nichts zu ermitteln. Die Ebbe
erreichte den niedrigsten Stand um kurz vor neun Uhr am Abend. Dann würde er
wiederkommen.

35
    »Du hast was gemacht?«
    »Ist ja gut. Ich weiß auch, dass es ein ärgerlicher Fehler war. Aber
die Datei ist gelöscht und der Stick weg. Du musst mir die Datei noch einmal
schicken.«
    »Ich muss gar nichts.«
    »Cengiz, bitte.«
    Das Telefonat
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