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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt
Autoren: J Zweyer
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verlief nicht ganz so, wie es Rainer sich vorgestellt
hatte.
    Zunächst hatte ihn sein Freund zwei Mal abgewimmelt, weil er
angeblich etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Rainers Einwand, sein Anliegen
sei ebenfalls von großer Bedeutung, hatte Cengiz durch Abbruch des Telefonats
gekontert. Und nun sträubte sich sein eigentlich bester Freund, ihm diesen
kleinen Gefallen zu tun.
    »Woher nimmst du eigentlich die Dreistigkeit anzunehmen, alle deine
Freunde zu jeder Tages- und Nachtzeit für dich einspannen zu können? Ganz
ehrlich, ich habe noch etwas anderes zu tun, als deine Wünsche zu befriedigen.«
    »Mensch, Cengiz, deine Computer rechnen doch auch ohne dich.«
    »Ja. Aber sie verkaufen sich leider noch nicht ohne menschliches Zutun.«
Cengiz seufzte. »Ich sehe nach, ob ich die Datei noch auf dem Rechner habe.
Einen Moment.«
    Eine Minute später war Cengiz wieder am Apparat. »Habe ich nicht.
Gelöscht. Auch die E-Mail. Tut mir leid.«
    »Wie kann man denn so eine wichtige Datei löschen?«
    »Ich glaube, es hackt! Solltest du dir diese Frage nicht selber stellen?«
    Rainer schwieg. Natürlich hatte sein Freund recht.
    »Ich mache dir einen Vorschlag. Ich scanne dir eben das Foto ein.
Aber bearbeiten kann ich es nicht mehr. Dafür habe ich einfach in den nächsten
Tagen keine Zeit. Und selbst wenn ich sie hätte«, setzte er hinzu, »würde ich
es nicht machen. Du musst endlich kapieren, dass wir nicht deine privaten Handlanger
sind.«
    »Wer ist wir?«
    »Elke und ich. Ich war vorgestern Abend bei ihr. Sie leidet unter deinen
Eskapaden. Außerdem wächst ihr so langsam alles über den Kopf. Arbeit, Oskar,
die Wohnung.«
    Das hatte Rainer so ähnlich schon von Elke selbst gehört. »Cengiz,
ich arbeite hier auf der Insel.«
    »Tatsächlich? Dann wünsche ich
dir einen arbeitsreichen Tag. Die Mail geht in der nächsten halben Stunde
raus.«
    Er legte ohne Gruß auf.
    Rainer verließ nachdenklich das Haus des
Kurgastes und bummelte über die Dünen zurück zu seinem Hotel. War er
wirklich so ein Mistkerl? Er würde mit Elke darüber sprechen und sein Verhalten
ändern müssen. Denn er wollte sie unter keinen Umständen verlieren. Sie nicht
und auch Oskar nicht.
    In der Ferne gab eine in den Juister Hafen einlaufende Fähre Signal.
Er beschloss, sich zunächst eine Tageszeitung zu besorgen, einen Kaffee zu trinken
und sich mit beidem die Wartezeit bis zum Eintreffen von Cengiz’ E-Mail zu verkürzen.
    In einem der Lokale am Kurplatz fand er einen Platz im Freien,
schlürfte seinen Kaffee, rauchte und blätterte in der Zeitung.
    Kurz darauf zog die tägliche Karawane
der ankommenden Urlauber an ihm vorüber. Manche
schleppten Rucksäcke von beeindruckender Größe. Andere zogen Trolleys hinter
sich her – das Laufgeräusch der Rollen auf dem Straßenpflaster gehörte zu Juist
wie Ebbe und Flut.
    Rainer sah kurz hoch, schenkte den Anreisenden aber keine Beachtung.
Stattdessen widmete er sich dem Sportteil der Tageszeitung, der jetzt, in der
Sommerpause der Bundesliga, nur mäßig interessant für ihn war.
    »Papa!«
    Irgendwie kam ihm die Stimme bekannt vor. Er senkte die Zeitung. Das
war doch nicht möglich! Auf dem Bürgersteig vor ihm stand Oskar, daneben dessen
Mutter Elke. Rainer sprang auf.
    »Was macht ihr denn hier?«, rief er ihnen entgegen.
    »Urlaub«, antwortete Elke. »Was du kannst, können wir schon lange.
Nicht wahr, Oskar?«
    Der Kleine strahlte seine Eltern an.
    »Du scheinst dich ja nicht
gerade zu freuen, uns zu sehen.«
    »Doch … Doch … Es ist nur … Ich bin völlig überrascht. Ich freue
mich riesig.« Er nahm Elke in die Arme und küsste sie. Dann hob er seinen Sohn
hoch. »Na, wie war es auf der Fähre?«
    »Klasse. Ich hab mit Mama ganz oben gesessen. Und ich hab die Bäume
gesehen, die aus dem Wasser wachsen, damit die Schiffe die Richtung finden.
Mama hat mir erzählt, dass heute Nachmittag das Wasser wieder weg ist. Das ist
wie in der Badewanne. Ein paar Stunden läuft das Wasser rein, dann wieder raus. Zieht hier auch jemand den
Stöpsel, Papa?«
    Sein Vater grinste. »Nee. Das ist Ebbe und Flut.«
    »So weit waren wir schon auf der Fähre«, ergänzte Elke. »Jetzt
kannst du dein Glück versuchen. Wer sich seit mehr als zwei Wochen auf Juist
aufhält, wird doch die Fragen eines Fünfjährigen zur Tiede beantworten können,
oder?«
    Rainer dachte einen Moment nach und begann: »Also, der Mond zieht
das Wasser …«
    Oskar sah ihn voller Vertrauen
an.
    »Also, die
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