Toggle
auf einem blanken Acker zwischen Ormskirk und Aughton in West-Lancashire eingetragen. Das Netz steckte voller Kommentare zu dieser Anomalie. Selbst einen eigenen Wikipedia-Eintrag gab es.
Olga war noch nie in England gewesen. Mit einem Vater, der die deutsche Toggle-Niederlassung leitete, sollte ein Flug dorthin jedoch kein Problem sein.
»Was machst’n da?«, fragte Joshi.
»Gar nichts. Verzieh dich!«
Joshi trollte sich.
Im Wohnzimmer zankte sich Mama mit dem Besucher herum. Sie stritt zwar nicht so, wie sie mit ihren Kindern schimpfte, wenn sie wütend war, aber Joshi hörte ihrer Stimme schon vom Flur aus an, dass sie gleich explodieren würde.
»Es ist völlig unerheblich, ob Intelligenz erblich ist«, sagte der Mann. »Hauptsache, sie ist da.«
»Sehr richtig«, entgegnete Mama hitzig. »Aber Sie haben gerade gesagt, dass die IAS Intelligenz als genetisch verankert betrachtet.«
»Und wo sie da ist«, ging der Mann über den Einwand hinweg, »muss sie Vorrang genießen. Das Problem der Demokratie ist, dass niemand Vorrang genießt.«
»Absolut unrichtig!«, erklang es von Mama. Ihre Stimme war nun fast so schneidend wie bei einem Familienstreit. »Falls Sie darauf bestehen, bin ich mir nicht sicher, ob ich der IAS länger angehören will.«
Joshi verstand nicht, wovon die Erwachsenen sprachen. Er wusste nur, dass man Intelligenz mit Löffeln essen konnte. Das hatte Papa mal gesagt.
»Wir wollen keine ideologischen Scheingefechte führen«, sagte der Mann. »Mir ist es vollkommen gleichgültig, ob die Eltern eines Hochbegabten minderbemittelte Kretins sind, solange man ihnendie Erziehung des Kindes entzieht. Ich will nur, dass die Hochbegabung Wirkung entfalten kann. Wie wenig Demokratie ohne Vorrang der Klügeren funktioniert, können Sie täglich in der Rushhour erkennen.«
»Bin wieder da!«, verkündete Joshi und trat ins Wohnzimmer. Pia strich ihm kurz über den Kopf. »Es reicht«, befahl sie dem Mann.
»Mama, das ist blödes Lego!«, sagte Joshi und zog die beiden nicht zueinander passenden Bausteine aus seiner Hosentasche. Sie hingen an einer dünnen Silberkette und waren auch nicht aus Plastik, sondern aus Titanium.
»Wo hast du das her?«, fragte Pia stirnrunzelnd. »Das ist kein Lego, Stoffel.«
»Gefischt … gefunden«, druckste Joshi herum. Er wusste, dass man gefundene Sachen eigentlich abgeben musste.
»Du weißt, wir haben dir verboten, an der Binnenelbe zu spielen!«
»Im Bach am Schloss«, flennte Joshi. »Bei der Totfrau.«
Alexandre Ranchin zog die rechte Augenbraue hoch. »Dürfte ich mal?«, fragte er höflich. Pia reichte ihm die Kette. Er wog sie in der Hand. »Melissa und ich hatten eine sehr enge Beziehung, beinahe wie Vater und Tochter. Ich würde die Kette gerne als Andenken behalten.«
»Bitte sehr«, meinte Pia, kurz angebunden. »Und was alles andere betrifft …«
»Hat sich erledigt«, winkte Ranchin ab. Er steckte die beiden Dongles ein. »Die IAS braucht Ihre Hilfe nicht mehr. Sie sind schließlich nur ein sehr niedrig gestufter Neuling, der von allen Mitgliedern die kürzeste Zeit dabei ist.« Er bemühte sich nicht mal mehr um einen verbindlichen Tonfall.
»Oha«, meinte Pia säuerlich. »Widerspruch scheint nicht als Zeichen von Intelligenz betrachtet zu werden.«
»Intelligenter Widerspruch schon«, parierte der Franzose. »Aber wir wollen uns nicht weiter streiten, Madame. Um auf die Rushhour zurückzukommen: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Menschen grundsätzlich in verstopfte Kreuzungen hineinfahren? Sie tun das, weil die Ampel grün zeigt und ihnen ein Recht darauf zu gebenscheint. Wenn sie nachdächten, wüssten sie aber, dass ihr Verhalten zu noch mehr Verstopfung führt. Genauso funktioniert Demokratie! Jeder beansprucht freie Fahrt für sich und vergrößert das Chaos nur.«
»In Deutschland muss man vor verstopften Kreuzungen warten«, entgegnete Pia bissig.
»Exactement! Die Deutschen brauchen sogar ein Gesetz, um sich vom Denken zu entlasten. Nicht mal das befolgen sie dann.« Er schüttelte den Kopf. »Pardon, wenn ich Ihnen zu nahe trete, aber unter den Gründern der IAS befand sich nur ein einziger Deutscher – und der war ein Jude aus dem Baltikum.«
Unverschämterweise entzündete er sich nun eine Zigarette. Mitten im Wohnzimmer!
»Sie haben ein Mitglied weniger«, sagte Pia verbittert.
»Die IAS kann man nicht einfach verlassen«, entgegnete Ranchin emotionslos. »So wie Sie eine Eingangsprüfung absolvierten,
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