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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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aufbrechen, folge mir zu einer kleinen Besichtigung. Aber ich warne! Fallen die Worte zu garstig aus, werden meine Widerworte nicht lange auf sich warten lassen.«
    Nachdem die Gesellschaft am Abend in Caserta angelangt war und in einem seitlichen Schlossflügel genächtigt hatte, machte ihr Bernardo Tanucci am nächsten Morgen seine Aufwartung. Der Kronminister schien von der Anzahl der Köpfe etwas enttäuscht, gab sich aber alle Mühe, dies zu verbergen. In den Gärten standen Speisen und Getränke für gut die zehnfache Menge an Gästen bereit, und die Zahl der Lakaien übertraf sogar noch das Maß von Versailles. Allerdings kannte ohnehin nur einer den französischen Hof aus eigener Anschauung, und Georges-Louis Marie Leclerc de Buffon war kein ausgesprochener Patriot. Er lobte stattdessen seinen Gastgeber in den Himmel. Der greise Marchese Tanucci geriet darüber so in Freudentaumel, dass Galiani alle Mühe hatte, ihn zur vereinbarten Stunde wieder loszuwerden.
    Die Versammlung sollte unter sich bleiben.
    »Sie erinnern sich unserer Pariser Soiree Ende Dezember«, begann Galiani im Schatten einiger aufgespannter heller Sonnensegel aus Leinen. Die frisch gepflanzten Schirmpinien standen noch nicht hoch genug. »Wir waren uns einig, dass der Welt Ungemach droht, wenn die Verhältnisse in Bewegung geraten. Es ist nie gut, wenn ein Berg rutscht und seine Spitze im Tal landet – wir Neapolitaner wissen zudem, dass es noch schlechter ist, wenn der Berg sein Innerstes nach außen befördert.«
    Der Händler Sbiffio-Trulli bekundete mit einem Nicken seine Betroffenheit. Er besaß etliche Weinberge am Fuße des Vesuvs.
    »Ich habe Ihnen damals eine kleine Einführung in mein 1754 entworfenes System der Entscheidungsfindung gegeben und wollte den König von Frankreich dazu bewegen, meinem Rat zu folgen. Leider ist der König von Frankreich weniger klug, als man ihm nachsagt. Ja, er wäre keinesfalls klug genug, um heute unter uns zu weilen. Denn hier versammeln sich capita mundi , die Köpfe der Welt.«
    »Wie stellen Sie Klugheit fest, Abbé?«, fragte Chaim Otto Fünfgeld kauend und spuckte einen Olivenkern aus.
    »Nun, dafür gibt es verschiedene Wege. Man kann Aufgaben formulieren und Lösungswege begutachten. Man kann dem Klang einer Rede lauschen und die Plausibilität der Argumente bewerten. Schließlich kann man den Kopf vermessen und sein Volumen berechnen. Das halte ich für den schwächsten Weg.«
    »Warum?«, wandte der Weinhändler Sbiffio-Trulli ein. »Hohlmaße lassen sich gut vergleichen! Und durchs Klopfen an die Spundwand kann man sogar feststellen, ob ein Fass voll oder leer ist.« Er pochte an die Stirn eines neben ihm stehenden Domestiken und lauschte dem stumpfen Widerhall. Der Diener verzog keine Miene.
    »Leider haben nur sehr wenige Menschen flüssige Gedanken«, kommentierte Galiani, »so dass der Schluss auf deren grundsätzlich liquide Gestalt gewagt wäre.«
    »Mir ist in England unlängst ein denkwürdiger Begriff untergekommen, der für uns brauchbar sein könnte«, warf Fünfgeld ein. »Man nennt das, was einer mit dem Kopf anzustellen vermag, Intelligence .«
    »Interessant! Und was verstehen die Engländer darunter?«
    »Einerseits die Fähigkeit, vorhandene Ordnungen und Regeln in der Natur zu erkennen«, erläuterte der Kaufmann, »andererseits zu bemerken, wo die Natur keine Ordnungen und Regeln mehr enthält, sondern der Zufall seine Macht ausspielt. Ein Wissenschaftler wäre demnach klug, der Abergläubische dumm.«
    »Die Frage ist nur«, erhob Leclerc de Buffon seine Stimme, »gilt das auch für Frauen?«
    »Nein, niemals, um Himmels willen, undenkbar!«, erscholl es von allen Seiten her. Galiani hob beschwichtigend die Hände: »Niemand wird einer Frau dieses Vermögen zubilligen wollen!« Für einen Moment gedachte er schuldbewusst der Madame d’Epinay, seiner Muse und Mätresse, die ihn aus mancher geistigen Blockade erlöst hatte. »Sagen Sie, Fünfgeld, welches Wort verwendet der Engländer für Erlösung?«
    » Salvation , wenn ich mich nicht irre.«
    »Dann schlage ich vor, dass sich unsere geheime Bruderschaft als Motto Intelligence As salvation erwählt.«
    »Erlösung, da schlägt der Abbé wieder durch«, brummte Leclerc de Buffon, doch es klang gutmütig.
    »Zweck der Bruderschaft ist die gemeinsame Rekonstruktion jener Schrift, die ich 1754 erstellte, leider jedoch durch Intrigen des Kronministers Tanucci verlor«, fuhr Galiani fort.
    Auf den Gesichtern malte sich

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