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versicherte Flüeli. »Ich frage mich nur, warum Sie so guter Laune sind.«
»Ich habe gerade den besten Vertrag meines Lebens unterzeichnet.«
»Sie haben Myface gekauft?«, entfuhr es dem Sekretär verblüfft. Er war bei den Verhandlungen nicht zugegen gewesen, wusste aber, dass sich der Myface-Gründer in jugendlicher Hybris gegen jeden Übernahmeversuch sperrte.
»Ich sprach von einem Vertrag, nicht von einem Geschäftsabschluss«, korrigierte ihn der Oligarch.
Urs-Albert Flüeli sah ihn verständnislos an.
»Ich habe die Myface-Daten gepachtet«, lächelte Fünfgeld feinsinnig. »Auf 20 Jahre, mit Verlängerungsoption. Das war nicht billig, aber billiger als ein Kauf, dem dieser Bengel ohnehin nicht zugestimmt hätte.«
»Gepachtet?«, fragte Flüeli. »Myface ist doch kein Acker.«
»In gewisser Weise doch. Die Firma besitzt einen Boden, auf dem menschliche Daten wachsen. Der Boden – die Hardware! – interessiert mich nicht. Die Erträge des Bodens schon.«
»Ich kann den Unterschied zwischen Verpachtung und Erwerb nicht erkennen«, wandte der Schweizer ein. »Wertvoll sind nur die Daten. Wenn Myface Ihnen die Nutzung verpachtet – womit will die Firma dann noch Gewinne machen?«
»Ja, das meinte der Milchbart auch«, entgegnete der Oligarch gelangweilt. »Unter uns Juden hätte ich ein bisschen mehr Gewitztheiterwartet. Aber gut – so konnte ich mich leichter durchsetzen. Der Junge ist ein bisschen meschugge. Er will eine Firma behalten, die nur aus heißer Luft besteht, weil sie nichts als das Vertrauen ihrer Kunden besitzt. Vertrauen ist flüchtiger als Parfüm, das sollte man auch schon mit 25 wissen. Schneller als er denkt, könnte er mit leeren Händen dastehen. Und dann will ihm niemand mehr seinen Laden abkaufen.«
»So ein Angriff auf die Vertrauenswürdigkeit ließe sich leicht bewerkstelligen«, bot Flüeli eilfertig an. »Dazu haben wir kürzlich einen Spezialisten in Shaoxing akquiriert.«
Der Oligarch winkte ab. »Aber ich schätze dieses Vertrauen. Je tiefer es geht, desto besser!«
Der Sekretär versuchte, seinen Fehler auszubügeln. Er schaltete von proaktiv auf untertänig um: »Wie immer haben Sie einen Vertragsabschluss hingekriegt. Obwohl der Milchbubi begriff, dass Sie ihm seinen Geldbringer wegnehmen wollen.«
»Im Gegenteil, Myface verliert durch mich keinen Cent, sondern gewinnt ein hübsches Sümmchen dazu. Ich habe die nichtkommerzielle Nutzung der Daten gepachtet.«
Urs-Albert Flüeli klappte die Kinnlade nach unten.
»Ja«, gluckste der Oligarch. »Man muss über die Ränder des Geldsystems hinaussehen, will man die Welt verändern. Und da mich meine alte Mutter – Sie werden es nicht glauben, bis heute ist sie überzeugte Kommunistin! – zur Weltveränderung verpflichtet hat, muss ich mich schon ein wenig anstrengen.«
Er geriet in redselige Stimmung.
»In meiner Familie galt es als Ehrensache, der Bruderschaft meines Obergroßvaters anzugehören«, plauderte er. »Allerdings konnten sich auch die Nachkommen der Gründungsmitglieder nie dem Aufnahmeritual entziehen. Wir haben es zum Glück immer geschafft, in der IAS vertreten zu sein.«
»Institute for Advanced Studies?«, fragte Flüeli, leicht irritiert. »Dort wo Einstein forschte?« In seiner Zeit als Diplomat hatte er in Princeton einmal einen Vortrag gehört.
»International Association of Supremacy . Einstein war kein Mitglied. Zu geringes Interesse an Machtfragen.« Fünfgeld schaltete denriesigen TV – Flachbildschirm der Suite an. Eben begann die Aphra-Show. Eine Laufschrift kündigte als Stargäste die beiden Toggle-Gründer an.
»Seit der Oktoberrevolution 1917 konnte kein russisches IAS – Mitglied mehr offen agieren. Die Zentrale in Paris beschloss daher, bis zum vorhersehbaren Niedergang des Sowjetimperiums blanke Karteikarten zu führen, um jegliche Gefährdung von Mitgliedern auszuschließen. Die Zentrale wusste nur, wie viele es von uns jenseits des Eisernen Vorhangs gab, nicht aber, wer wir waren. Nach 1989 haben sich die meisten deanonymisiert. Ich nicht.« Er lächelte stillvergnügt. »Man wird beizeiten erfahren, warum ich mich so lange bedeckt gehalten habe. Genauso wie man den Nutzen des Pachtvertrags mit Myface erkennt und mein Engagement in Toggle-Aktien plötzlich ganz und gar schlüssig erscheint. Aber was soll das?«
Er deutete auf den Fernseher.
»Was soll das?«, stieß Samyia Prakesh keuchend aus, während sie sich im Gold’s Gym in Valley Hills auf einem
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