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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Die Hälfte aller Staatseinnahmen floss in den Zinsdienst, Frankreich war nun auch offiziell bankrott. Nach einer raschen Folge ausgetauschter Finanzminister hatte dies der König öffentlich zugeben müssen. Zum ersten Mal seit 1614 berief er fürs nun kommende Jahr die Generalstände ein, die Vertretung des gesamten Volks, um bei ihnen um Einsicht zu flehen – respektive um die Bereitschaft aller, auf Privilegien zu verzichten und Steuern zu zahlen. Er konnte sogar sein eigenes Vorbild anführen, denn entgegen den Übungen seiner Vorgänger ließ er fast das gesamte Geld aus der Cassette du Roi , dem Privatetat des Königs, nicht in die Taschen von Günstlingen und Mätressen fließen, sondern in Werke der Nächstenliebe. Doch alles vergebens – die genusssüchtige Königin Marie Antoinette versuchte nach Kräften, das Bescheidenheitsgelöbnis ihres Gatten mit Prunkfesten zu unterlaufen. Galianis geliebtes Frankreich wankte seinem Untergang entgegen, und das nur, weil Ludwig XV . einst nicht dem glänzenden Rat des Neapolitaners gefolgt war.
    Eine Kränkung.
    Der Gestank der Revolution kroch schon aus allen Ritzen des morschen Staatsgebälks.
    Ach, sollte Frankreich doch untergehen!
    Bitternis zerfraß Galianis Seele, und so war es kein Zeichen von Reue, dass er einen Beichtvater an sein Sterbebett rief. Im Gegenteil, er wollte seinen Mut ein letztes Mal am Klerus kühlen. Dazu diente bereits die angesetzte Stunde. Der Beichtvater, niemand Geringerer als der Bischof selbst, konnte nicht zugleich die Sonntagsmesse in Neapel versehen und zur Letzten Ölung des prominenten Schäfchens an den Fuß des Vesuvs eilen. Jede versäumte Messe eines Bischofs schrieb sich Galiani für seinen Aufenthalt im Jenseits gut. Realistischerweise rechnete er mit einem Platz in den unteren Abteilungen.
    » Meine Kutsche wartet schon«, krähte er dem Kirchenfürsten entgegen, dessen ungesund gerötete Gesichtsfarbe durch die Hatz deutlich zur Geltung kam. »Ihre aber auch!«
    »Sind Sie bereit, dem Herrn vor sein Angesicht zu treten, Abbé Galiani?«, sprach der Bischof streng. »Bereuen Sie Ihre Sünden?«
    »Die unterlassenen mehr als die begangenen«, polterte der Angesprochene zurück. »Ich habe Sie nur eingeladen, weil ich andernfalls befürchten müsste, keinen anständigen Platz auf dem Friedhof zu bekommen. Wohin sollten meine Anhänger dann pilgern?«
    »Noch ganz der Alte«, parierte der Bischof. Er schlug das Tuch auf, das die Utensilien zur Letzten Ölung enthielt. Galiani machte eine Handbewegung, als wolle er schlechte Luft wegwedeln. Der Bischof schlug resigniert das Tuch wieder zu.
    »Ich werde mit Ihnen über Platon disputieren«, verkündete Galiani mit rasselndem Atem. »Wussten Sie um die geheimen Botschaften in seinen Originalschriften?«
    »Geheimbotschaften sind des Satans und keinesfalls Gegenstand kirchlicher Lektüre.«
    »Unter gebildeten Leuten können wir diesen Zinnober weglassen! Wie Sie wissen, korrespondiere ich mit den gelehrtesten Köpfen unserer Zeit, und nach eingängigen Untersuchungen steht fest, dass Platon nicht an die Götter glaubte.«
    »Sondern?«
    »An die Mathematik.«
    »Das kann uns Christen gleichgültig sein.«
    Galiani schüttelte mit einiger Anstrengung den Kopf: »Nach Platons Meinung bestimmen allein mathematische Prinzipien die Struktur unseres Universums. Ein christlicher Schöpferwille wäre darin ebenso wenig zu finden, wie der antike Götterkrach im Olymp niemals Gewitter und Stürme hervorbrachte. Überall wirkt bloß Mathematik. Was halten Sie von Symmetrie?«
    »Ein Beweis für den Schönheitssinn des Herrn.«
    »Genau in der Mitte der Politeia , gewissermaßen in der Spiegelachse einer perfekten Symmetrie«, sagte Galiani, »steht ein bestimmter Satz.«
    »Ich weiß, worauf Sie anspielen, Galiani«, unterbrach ihn der Bischof, der auf eine jesuitische Vergangenheit zurückblickte und darum belesener als seine Amtsbrüder war. »Vergessen Sie es und üben Sie Demut.«
    » Wenn nicht die Philosophen in den Staaten Könige werden, und Herrscher echte und gute Philosophen «, zitierte Galiani, » gibt es kein Ende des Unglücks in den Staaten.« Er hustete wieder. »Ich habe michmein Leben lang bemüht, diesem Satz zu dienen. Ja, ich kann sagen, dass ich dem guten alten Platon ein Dach über dem Kopf gezimmert habe, auf das er fast zwei Jahrtausende warten musste. Sie können sich vorstellen, wie groß meine Freude war, als ich von einem meiner Korrespondenten erfuhr, dass

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