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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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hineingeworfen?«, fragte er vorsichtig.
    Tanucci schüttelte den Kopf. »Dafür ist mir meine Zeit zu schade! Wenn der Drucker dem Zensor dringlich rät, der Zensor möge einschreiten, so wird der Drucker wohl recht haben, denn er denunziert nicht ohne Grund den Kunden, der ihn ernährt.«
    Galiani biss sich auf die Unterlippe: »Sie wollen die Schrift also beschlagnahmen?«
    »Wir sind keine Diebe«, beschied ihn der Kronminister. »Es ist Ihr Eigentum.«
    Er überreichte dem Jüngeren den frisch gedruckten und akkurat gefalzten Bogen. »Sie haben vorhin sehr überzeugend über das Eigentum philosophiert. Eigentum besteht auch darin, dass man es vor den Augen Fremder verschließt. Nicht wahr?«
    Galiani nickte.
    »Tun Sie dies!«
    Der Jüngere sah den Älteren ratlos an. Sollte er die hundert unaufgeschnittenen Bögen verbrennen? Das brachte er nicht übers Herz. Sollte er sie in die Reißmühle geben, um daraus neues Papier schöpfen zu lassen? Auch das versetzte ihm einen Stich in der Brust. Man konnte nicht die eigenen Gedanken zerfetzen, die einem, als man sie niedergeschrieben hatte, wie ein Blitzschlag göttlicher Erkenntnis vorgekommen waren.
    »Manche Menschen«, lächelte ihm Tanucci aufmunternd zu, »schlafen auch auf ihrem Eigentum.«
    Der Hinweis gefiel Ferdinando Galiani.
    Er würde die hundert Druckbögen seiner Preisschrift in eine Matratze stopfen lassen und dann seinen Diener Luigi darauf betten. So ruhte ein Vertreter des Volkes auf der Formel zur Emanzipation aller Völker der Welt.
    Galiani kicherte halblaut vor sich hin.
    Sein Ehrgeiz war nicht messianischer Natur. Der zwergenhafte Mann fand es nur gut, klüger als die Herrschenden zu sein.
    Und er war zweifellos einer der Klügsten seiner Zeit.

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Zweiter Teil
Die Konferenz

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    17
    
 
    Von Schottland bis Sizilien überspannte eine stabile Hochdrucklage den europäischen Kontinent. Die Erdbeobachtungssatelliten Ikonos und Quickbird 2 schossen, von keiner Wolkenformation behindert, randscharfe Aufnahmen von Häusern, Städten, Straßen und Landschaften, auf denen bis zu 80 Zentimeter große Gegenstände zu erkennen waren. Geübte Angestellte wählten in Valley Hills die besten Aufnahmen aus und stellten sie unter Toggle Earth ins Internet. Drei Dutzend mit Panoramakameras ausgestattete Kleinwagen fuhren durch die Straßen von Drenthe (Niederlande), Grindelwald (Schweiz) und Louth (Irland), um die Satellitenperspektive durch Aufnahmen von Straßen, Häusern und Vorgärten zu ergänzen. In München checkte Melissa Stockdale, unmittelbar nachdem sie den Flieger aus Hamburg verlassen hatte, die letzten Wirtschaftsnachrichten bei Toggle News, während zur selben Zeit die dreizehnjährige Olga Holzwanger in einer Hotelsuite auf Schloss Mellau einen Musikclip von Arcade Fire auf Toggle Video betrachtete. Im Schlossflügel gegenüber suchte Urs-Albert Flüeli, persönlicher Sekretär des russischen Geschäftsreisenden Jewgenij Jacob Fünfgeld, bei Toggle Search nach genealogischen Informationen über die Vorfahren seines Arbeitgebers, die, wie der Name bewies, eindeutig aus Deutschland gekommen sein mussten. Diverse Flugzeuge verschiedener Airlines, die nicht zum Toggle-Imperium gehörten – aber man wusste ja nie! –, transportierten die Professoren Frigg (Boston), Blavatnik (Moskau), Fienkelbart (Jerusalem), Siebenhofer (Wien) und Goodrick-Clarke (London) zum Flughafen München Franz Josef Strauß, wo mehrere Luxuslimousinen warteten, um sie ins 90 Kilometer entfernte Tal von Mellau zu bringen. Die Professoren Dijkerhoff (Karlsruhe) und Ranchin (Paris) befanden sich, ohne voneinander Notiz zu nehmen, in der Ersten Klasse des EC 361 von Strasbourg nach München und flöhten, beide grundlegend skeptisch, das Angebot von Toggle Books auf eigene Werke durch. In Dresden-Klotzsche stritt sich Professor Joachim Sterzel mit einer unbotmäßigen Stewardess herum, die ihn, obwohl er nur kleines Gepäck mit sich führte, wegen des bereits geschlossenen Boardings nicht mehr mitfliegen lassen wollte. Er unterlag und vertrieb sich die gewonnene Zeit mit Toggle Maps , einem Dienst, der ihm verriet, dass er auch ohne zu fliegen in 5 Stunden 36 Minuten in Mellau sein konnte, sofern er sich einen Porsche lieh. Genau dies tat er unverzüglich am Schalter von Avis, weil ihm die etwas schnippische junge Dame von Toggle Inc. zwei Wochen zuvor versichert hatte, im Zusammenhang mit der Konferenz für alle Spesen aufzukommen. Hätte Walter Weinberger

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