Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toggle

Toggle

Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
Vom Netzwerk:
Handtaschen. Das wiederum fand ihre Mutter »unemanzipiert«, aber so waren Eltern eben. In diesem Umfeld würde die Chefin ihres Vaters keine passende Freundin abgeben.
    »Ne«, sagte sie noch mal. »So was geht überhaupt nicht!«
    Und sie blickte Melissa dabei an, als sei diese eine Greisin aus dem letzten Jahrhundert.
    Prompt verwandelte sich die Managerin zurück in eine Erwachsene. »Ich muss jetzt arbeiten«, sprach sie kühl. »Aber Ron aus der Buchhaltung sucht immer Opfer für den Tischkicker.«
    Melissa Stockdale rief den Buchhalter an, der sich sofort bereit erklärte, die Dreizehnjährige vernichtend zu schlagen. »Vorsicht«, warnte ihn Melissa, »sie hat drei Brüder!«
    Dann erklärte sie Olga den Weg zur Buchhaltung, und das Mädchen setzte sich in Marsch.
    »Ach ja«, rief ihr Melissa geschäftsmäßig hinterher. »Erzähl deinem Vater bitte, dass alle Wissenschaftler bereits zugesagt haben.«
    Sie hatte zwar noch keinen gefragt, aber das war nur eine Formsache. Angeboten von Toggle widerstand niemand.

[Menü]
    16
   INTERMEZZO Caserta bei Neapel
Dienstag, 9.   April 1754
    Die größte Baustelle Europas. Unzählige Menschen in groben und verdreckten Gewändern liefen auf einem von Gruben und Gräben zerfurchten Gelände herum. In dessen Mitte markierte ein zwanzig Morgen großes, planiertes Rechteck die Ausmaße des geplanten Palastes. Nur an wenigen Stellen ragten schon mannshohe Wände in die Luft, während auf dem übrigen Areal nur ein Geflecht kniehoher Mauern den Betrachter erahnen ließ, welche architektonische Pracht hier einst erstrahlen werde.
    Der junge Mann am Rande der Fläche kniff die Augen zusammen. Im Dunst der kühlen Aprilluft verfolgte er, wie pechschwarze Menschen an den bereits errichteten Wänden schwere, flache Körbe mit Baumaterial über ihre Köpfe stemmten, sodass Steine und Kalksäcke von den Arbeitern auf der Mauerkrone entgegengenommen werden konnten.
    »Wir haben sie von türkischen Händlern gekauft«, erläuterte der ältere Mann, der, um allen Unebenheiten des Bodens auszuweichen, gemessenen Tempos neben dem jungen einherschritt. »Aber Sklaven sind zu teuer. Unsere einheimischen Bauern arbeiten genauso gut, zu ähnlichen Konditionen.«
    »Damit sind sie rentabler, weil der wiederholte Anschaffungspreis entfällt«, entfuhr es dem jungen Mann.
    Der Ältere blieb stehen und musterte ihn. »Ja, die Neger verzehren sich rasch unter hiesigen Bedingungen! Am Ende kriegt man fast nichts mehr für sie. Oder sie sind tot. Wie bewerten Sie das?«
    »Als unökonomisch.«
    »Signor Galiani, Sie erstaunen mich! Ich hatte erwartet, Sie fänden den Vorgang unmoralisch. In der Stadt sagt man Ihnen Auffassungen nach, die ein Menschenleben unabhängig von seinem Status als Freier oder Sklave taxieren, sondern ganz eigentümliche Faktoren in Rechnung stellen.«
    Der junge Mann lachte gekünstelt, als habe man ihn bei einer Unschicklichkeit ertappt: »Das sagt man? Die Leute sagen viel.«
    Ein Spaziergang mit dem Kronminister des Königreichs beider Sizilien (wie sich die Provinz Neapel seit etlichen Jahren nannte) über die Baustelle des künftigen Palazzo Reale bot nicht den richtigen Anlass, um aufklärerische Grillen zur Schau zu stellen. Und solange Ferdinando Galiani nicht wusste, was Bernardo Tanucci von ihm wollte, blieb er besser auf der Hut. Im Allgemeinen war Galiani trotz seiner Jugend – er zählte 26 Jahre – ein wohlgelittener Mann in der neapolitanischen Gesellschaft. Doch dem Kronminister unterstand die Zensurbehörde. Eines solchen Mannes Gunst verscherzte man sich nicht, wollte man noch viele geistreiche Schriften drucken lassen.
    Tanucci hob den rechten Arm und beschrieb mit seinem Gehstock einen weiten Bogen übers Gelände: »Waren Sie bei der Grundsteinlegung anwesend? Als der König zwei Regimenter und fünf Reiterschwadrone so Aufstellung nehmen ließ, dass sie den Grundriss des Schlosses vorwegnahmen? Die Breite des Bauwerks wird Versailles um dreißig Schuh übertreffen.«
    »Bedaure, nein. Ich reiste.«
    »Reisen bildet«, nickte der Ältere, »und solange unser Werk hier unvollendet bleibt, ist Neapel nicht der glanzvollste Ort der Welt.«
    Er schüttelte ein wenig betrübt den Kopf. Inzwischen hatten erste Arbeiter das auffallende Paar gesichtet und ihre Werkzeuge sinken lassen. Tanucci war ein für süditalienische Verhältnisse überaus großer und dazu noch ziemlich beleibter Riese – er stammte aus der Toskana –, während ihm Galiani

Weitere Kostenlose Bücher