Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toggle

Toggle

Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
Vom Netzwerk:
mich?«
    Der Professor musterte sie kurz. Dann streckte er ihr wortlos die Schachtel entgegen. Ausgerechnet Gitanes, die ihr schon als Au-pair-Mädchen grässliche Übelkeit beschert hatten! Zitternd nahm sie eine der filterlosen Zigaretten heraus und steckte sie sich in den Mund.
    »Andersrum«, befahl der Professor. »Die Schrift muss auf dem Kopf stehen.«
    Pia drehte die Zigarette um. Ranchin gab ihr Feuer. Sofort trieb ihr der Qualm Tränen in die Augen.
    »Nummer 584«, flüsterte sie. Es kostete sie alle Kraft, ihren Hustenreiz zu unterdrücken. »Pia Holzwanger. Aufnahmedatum 11.   Mai.«
    »Ich weiß«, nickte Ranchin. »Sie sind eine unserer ganz wenigen Frauen.«
    »Halten Sie uns für generell dümmer? Oder wie erklären Sie sich die schlechte Quote?«
    Ranchin schwieg einen Moment. »Frauen treten nur widerwillig Vereinen bei«, sagte er dann. »Das spricht für ihre Intelligenz. Schauen Sie sich Dijkerhoff an. Ob unser IQ nun beeindruckende 160 oder nur kümmerliche 80 beträgt, er und ich benehmen uns wie Primaten. Nur weil wir dasselbe Revier beanspruchen. Das heißt«, verbesserte er, » er benimmt sich so. Er sieht ja auch aus wie ein Affe.«
    Jetzt musste Pia doch husten. Ranchin nahm ihr die Zigarette wieder weg und schob sie sich zusätzlich zu seiner eigenen in den Mundwinkel.
    »Lassen Sie es! Bei Ihnen ist es eine Verschwendung.«
    »Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben«, keuchte Pia, »diese Zigarettenmarke zeugt nicht gerade von besonderer Intelligenz. Wie Rauchen insgesamt nicht.«
    Der Professor zuckte mit den Schultern. »Die Kenntnis von Gesundheitsrisiken hat nichts mit der Bereitschaft zu tun, sie in Kauf zu nehmen. Das eine wird von rationalen Parametern bestimmt, das andere von irrationalen. Im Übrigen verkürzt jede Zigarette mein Leben statistisch gesehen nur um ein paar Sekunden, während sie mir ein paar Minuten lang Genuss bereitet. Ich kann dann besser denken.«
    Er sah Pia mit einem durchbohrenden Blick an.
    »Sie zum Beispiel wollen mir sagen, dass ich auf dieser Konferenz keineswegs zufällig über lauter Mitglieder der International Association of Supremacy stolpere, sondern dass Sie als Marionettenspielerin mutwillig für dieses Zusammentreffen gesorgt haben. Sie beabsichtigen damit, Punkte für Ihren Aufstieg in der Vereinshierarchie zu machen, was Ihnen leider gründlich misslungen ist. Punkte gibt es nur für eine Verbesserung der menschlichen Lage, nicht für interne Strippenzieherei. Wir sind doch keine politische Partei!«
    Er verzog angeekelt sein Gesicht. Pia fühlte sich wie ein Schulmädchen, das von seinem Rektor zusammengestaucht wurde.
    »Obwohl ich in der Hierarchie weit über Ihnen stehe«, fuhr Ranchin fort, »kenne ich kaum ein Dutzend Vereinsmitglieder persönlich und hege auch nicht das geringste Bedürfnis, weitere kennenzulernen! Wir kommunizieren nur über wissenschaftliche Publikationen miteinander, die wir an den üblichen Orten veröffentlichen. Persönlicher Kontakt führt unweigerlich zu Hahnenkämpfen.«
    Die beiden Zigarettenstummel verbrannten ihm fast die Lippen. Er spuckte sie aus, sorgte aber sofort für Nachschub.
    »Warum wirkt eine Gitanes nicht, wenn man sie richtig herum anzündet?«, fragte Pia.
    » EU – Gesundheitsterror!«, knurrte der Franzose. »Am unteren Ende ist das Zigarettenpapier mikroperforiert, damit der Rauch durch Luft verdünnt wird. Das senkt den Schadstoffanteil, während es zugleich den Genuss beeinträchtigt. Diese Brüsseler Idioten denken, freiheitsliebende Franzosen wüssten diese Hürde nicht zu umgehen. Pah!«
    »Und Sie meinen«, knüpfte Pia erneut an den vorigen Gesprächsstrang an, »es war keine gute Idee, das Hearing mit Ihnen allen zu veranstalten?«
    »Das habe ich nicht gesagt! Es war nur keine gute Idee im Hinblick auf Ihre persönliche Rangverbesserung. Im Übrigen sind Sie wie alle Neuzugänge wahrscheinlich der Meinung, unsere Hierarchie sei grundsätzlich ein Skandal, weil in einem Hochbegabtenverein Gleichberechtigung herrschen müsse.«
    »Ganz und gar nicht!«, protestierte sie. »Wer sich auf ein numerisches System wie den IQ einlässt, muss Ungleichheit akzeptieren. Nein, ich habe nichts gegen die Hierarchie. Ich habe nur etwas gegen mangelnde Transparenz.«
    Ranchin musterte die selbstbewusste Frau aufmerksam. War sie anders als die üblichen Debütanten?
    »Nun«, lächelte der Franzose, »unsere Intransparenz ist noch viel schlimmer! Zum Beispiel befindet sich im Schloss ein weiteres

Weitere Kostenlose Bücher