Toggle
Mitglied von Le Millier , das kein Wissenschaftler ist. Wenn Sie dessen Identität lüften, beweisen Sie zumindest beachtlichen Scharfsinn.«
»Meine Tochter«, kombinierte Pia.
»Bon maman«, entgegnete der Franzose galant. »Ich glaube, wir haben da ein kleines Wahrnehmungsproblem, non? Aber Ihre Mutterliebe ehrt Sie.«
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24
Mellau (Tanzsaal)
Montag, 26. Juli, 16 : 00
Im Konferenzsaal hantierte ein junger Mann so geschickt mit Computerkabeln herum, als sei dies seine Lebensbestimmung. Weil Holzwanger während der Moderation das Gefühl gehabt hatte, vom Publikum nicht richtig verstanden worden zu sein, ging er auf ihn zu.
»Können Sie mir helfen?«
»Vielleicht«, sagte der junge Mann. »Solange es praktische Probleme sind und keine theoretischen Haarspaltereien.«
»Ich habe den Eindruck, mein Mikrofon funktioniert nicht richtig.«
Der junge Mann warf einen kurzen Blick darauf, drückte den Einschaltknopf und nickte dann. »Ihr Eindruck trügt nicht«, sagte er. »Schwache Batterien.«
Während er sich ans Auswechseln machte, betrachtete Holzwanger sein Gesicht genauer. Irgendwo hatte er es schon einmal gesehen.
»Sie sind Erik«, entfuhr es ihm plötzlich. »Aushilfskraft bei Toggle München.«
Erik konnte seine Verblüffung nicht verbergen. »Und Sie sind kein Fernsehfuzzi, sondern vom BKA !«
»Schlimmer«, sagte Holzwanger. »Ich bin Ihr Personalchef. Ich kann darüber bestimmen, ob Ihr Zeitvertrag verlängert wird oder nicht.«
»Na, nach dieser Hilfeleistung doch bestimmt!«, meinte Erik zuversichtlich und hielt das Ansteckmikrofon in die Höhe.
»Fachleute sind uns immer willkommen«, nickte Holzwanger. Er fragte sich, ob Melissa das Häkchen von Eriks Personalakte wieder entfernt hatte. »Wem verdanken Sie diesen Außendienstjob?«
»Niemandem. Ein Freund von mir wollte nicht. Zu langer Anfahrtsweg! Da bin ich eingesprungen.«
Au weia, dachte Holzwanger. »Nur heute, oder …?«
»Bis Freitag. Ich bin der Togg-Jockey!« Erik deutete auf die Leinwand hinter der Bühne. »Ab morgen können sich Ihre Expertenwarm anziehen! Sobald sie eine konkrete Behauptung aufstellen, toggle ich in Sekundenschnelle die Hintergründe und beame sie auf die Leinwand. Wer da was Falsches sagt, blamiert sich bis auf die Knochen.«
Dieses Detail war Holzwanger verschwiegen worden. Gewiss, für Toggle bedeutete es eine Supershow – unter dem Strich würde kein noch so brillanter Akademiker die Suchmaschine schlagen können. So gut war kein menschliches Gedächtnis. Aber das ohnehin kühle Klima auf dem Podium würde dann endgültig vereisen.
»Wer hat Ihnen den Auftrag dazu erteilt?«
»Na, der Wasserbüffel«, sagte Erik.
»Mr. Weinberger?«
»Kann sein. Der Typ mit dem Quadratschädel, der als Erster geredet hat. Voll die Tränendrüse! Aber gar nicht schlecht.«
Holzwanger war verstimmt. Musste ihm Weinberger solche Steine in den Weg legen?
Er nickte dem Techniker noch einmal zu. Dann trat er in den Gang und rief das Ende der Pause aus.
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25
Mellau (Tanzsaal)
Montag, 26. Juli, 16 : 45
Die meisten Zuhörer waren schon ein bisschen benommen, als Melissa Stockdale die Kennzahlen von Toggle Books vorstellte. Sie war keine begnadete Rednerin und gab sich auch keine Mühe, diese Schwäche zu verbergen. Ihre Powerpoint-Präsentation glich eher einem Uni-Referat, bei dem man unter dem Tisch Comics las oder eine SMS knibbelte. Ein genauer Beobachter hätte allerdings bemerken können, dass sich die Vortragende unwohl fühlte. Denn genau in dem Moment, in dem sie das Podium betreten hatte, hatte ihr Erik vom Technikpult aus zugewinkt, und einen Sekundenbruchteil lang war seinem Winken eine obszöne Geste beigemengt gewesen.
Obwohl Melissa sofort in Rage geriet, musste sie sich zu ihrer eigenen Verblüffung eingestehen, dass dieser Impuls auch ein Quäntchen Freude enthielt – Freude darüber, vom Vater ihres Kindes, dessen Abtreibung sie immer weiter hinausgezögert hatte, noch begehrt zu werden.
Sie wollte schwanger sein!
Verbissen kämpfte sie das Gefühl nieder. Für eine Schwangerschaft hatte sie keine Zeit. Sie war zu anderen Aufgaben berufen.
Nach einer Dreiviertelstunde brach die Toggle-Managerin die Veranstaltung ab. Das Publikum war merklich unruhig geworden, und Melissa wollte keine schlechte Stimmung in den Abend hinübernehmen. Tagungen brachten nur etwas, wenn den Teilnehmern Zeit für Vergnügungen blieb. Dann baute sich jene Atmosphäre auf, die
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