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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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bitter bestraft. Hatte ihm der Kerl nicht am Telefon klipp und klar versichert, die Kiste mit den Büchern des 18.   Jahrhunderts sei komplett gescannt worden?
    Komplett. Komplett! Komplett! Komplett!
    Hätte er gewusst, dass dies nicht der Fall gewesen war, hätte er den Kleinganoven niemals hinter Gitter geschickt – mit ihm das kostbare Einzelstück!
    Zum Glück ließ sich das rückgängig machen.
    Der Mann griff zum Telefon. Wieder schien sich die Handyverbindung zwischen den Felswänden des Gewittersteingebirges zu zerreiben. Unmöglich, sich verständlich zu machen. Benutzte er hingegen den Zimmerapparat, hinterließ er Spuren in der Telefonanlage des Hotels.
    Einen Moment lang zögerte er.
    Dann setzte er sich über die Bedenken hinweg. Wer konnte schon elektronische Spuren lesen?
    Die deutsche Justiz?
    Der Mann prustete los. Sie musste Daten ja schon löschen, bevor sie überhaupt begriff, was diese Daten bedeuten könnten.
    Der Mann wählte die Nummer der Auskunft. »Landgericht Moabit, Berlin«, bat er höflich. »Und dort bitte den Bereich, der sich mit Eigentumsdelikten befasst.«
    Es knackte ein paar Mal im Hörer. Der Mann beruhigte sich wieder.
    Wenn man einer Behörde Arbeit abnahm, verlor sie jegliches Interesse an der Sache. Ein Aktenzeichen weniger!
    In wenigen Stunden würde das Buch wieder frei sein.

[Menü]
    30
   Mellau (Speisesaal)
Dienstag, 27.   Juli, 9   :   45
    Trotz der fortgeschrittenen Zeit hatte noch keiner der Professoren die üppige Frühstückstafel im Speisesaal verlassen. Und entgegen des zwieträchtigen Eindrucks vom Vortag saßen alle an einem großen Tisch beisammen. Die Umgangssprache Englisch senkte zwar das Niveau der einzelnen Bonmots – die des Russen verstand niemand –, doch tat dies dem allgemeinen Einverständnis keinen Abbruch.
    Als Alexandre Ranchin in seiner verräucherten Kleidung zur Gruppe stieß, war man gerade beim Thema Müll angelangt.
    »Seit Anbeginn des Internets sind 90 Prozent davon reiner Abfall, und die restlichen zehn Prozent werden in der Zeit, in der man nach ihnen sucht, ebenfalls unbrauchbar.« Der Anthropologe Fienkelbart kaute auf einem Stück Vollkornbrot herum. »Ich bin kein Freund des Internets.«
    »Trägt es dann nicht zur Qualitätsverbesserung bei, wenn möglichst viele Bücher ins Netz wandern?«, fragte Helene Siebenhofer.
    »Sofern die Bücher nicht ihrerseits Müll sind«, wandte Joachim Sterzel ein. »Werke von Anwesenden natürlich ausgeschlossen.«
    »Müll ist Materie am falschen Ort«, mischte sich Ranchin ein.
    »Wenn es im Internet keine Orte mehr gibt – und es gibt im Internet keine Orte mehr –, wie kann es dann gemäß dieser Definition noch Müll geben, Collegae?«
    »Interessanter Einwand«, gab Ranchin zu und reichte Reimar Dijkerhoff mit einer leichten Verbeugung die Kaffeekanne. »Etwas ganz anderes: Wollen wir uns vorab verständigen, wer welche Position auf dem Podium bezieht?«
    »Das wäre in höchstem Maße …«
    »Bedenklich?«, fragte Peter Goodrick-Clarke, der bislang schweigend das ihm unbekannte Bircher-Müsli gelöffelt hatte. In Mellau wurde so lange eingeweicht, bis auch zahnlose Gäste Gefallen daran fanden. Nicht ganz Porridge, aber genießbar.
    »… unsportlich«, vollendete Dijkerhoff seinen Satz.
    »In der Tat«, sprang ihm Ranchin bei. Seine Nonchalance gegenüber dem schärfsten Widersacher war erstaunlich. »Wenn ich Siealle daran erinnern darf, dass wir eine gewisse Bringschuld bezüglich unseres intellektuellen Unterhaltungswerts haben.«
    »Das finde ich auch«, näselte Dijkerhoff. »Wir sollten uns live und in Großaufnahme an die Gurgel gehen, statt uns vorab in schlaffen Absprachen zu befrieden.«
    »Mir wird das keine Schwierigkeiten bereiten.« Ranchin fixierte ihn mit festem Blick.
    »Mir auch nicht.« Dijkerhoff hielt dem Blick stand.
    »Meine Herren!« Helene Siebenhofer schüttelte den Kopf. »Man kann so ein Hearing doch auch ganz sachlich durchführen.«
    »Finden Sie?« Peter Goodrick-Clarke legte seinen Kopf schräg. »Ich bin vielleicht der Einzige am Tisch, der schon mal etwas mit Technikfolgenabschätzung zu tun hatte …«
    »Ich auch!«, meldete sich der Physiker Blavatnik.
    »… und ich kann Ihnen versichern, dass das hier mit einer echten TA überhaupt nichts zu tun hat.«
    »Nicht mal mit der russischen Variante davon«, bestätigte der Physiker, »und die ist schon sehr lax.«
    »Wir sitzen hier auf einer reinen PR – Veranstaltung.«
    »Zu welchem

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