Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toggle

Toggle

Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
Vom Netzwerk:
müssen nur entlang dieser Linie gehen, und Sie finden die Schuhe Ihres Kindes.«
    »Warum?«
    »Der rechte Bereich ist ein Moor. Jeder Rasenmäher würde darin versinken. Deswegen lässt man das Gras dort stehen. Und ins Moor geht man nicht mit Schuhen.«
    Pia nickte. Zweifelsohne hatte der Mann recht.
    »Das ist übrigens keine Frage von Intelligenz«, wiegelte Alexandre Ranchin ab, »sondern eine der Empathie. Ich habe es als Kind geliebt, mit nackten Füßen im Sumpf zu waten. Eigentlich liebe ich es immer noch. Kommen Sie, wir gehen die Schuhe holen.«
    Er streifte seine Slipper ab und zog sich die Strümpfe aus. Dann folgte er Pia barfuß den Hang hinunter.

[Menü]
    48
   Mellau (Salettl)
Dienstag, 27.   Juli, 17   :   45
    Das Salettl, ein Verbindungsstück zwischen altem und neuem Schlossteil, stand leer. Bei so gutem Wetter saß niemand vor dem an Regentagen von Kindern belagerten Computer. Im Hotel bot er die einzige Möglichkeit, hinter dem Rücken der Erwachsenen ins Internet zu gelangen.
    Olga loggte sich auf Myface ein und tippte: Hi alle miteinander, heute machen wir ein Spiel. Es heißt Zungenscrabble und wird mit Jellybeans gespielt. Wer die nicht kennt, kann sie sich im Netz ansehen. Besser ist es natürlich, wenn man eine Packung zu Hause hat. So wie ich, obwohl ich gar nicht zu Hause sitze, sondern in einem Superluxushotelschuppen in den Bergen. Der ist so stinkteuer, dass wenigstens der Internetzugang nichts kostet. Aber davon erzähle ich euch später.
    Die Myface-Seite der Dreizehnjährigen verzeichnete Hunderte von Freunden, und da Olga und ihre drei Mitstreiterinnen mehrmals täglich Neues aus der Welt der Bustiers und Eyeliner berichteten, würde es nicht lange dauern, bis sich der erste Besucher mit einem Kommentar meldete.
    Jetzt mache ich erst mal die Augen zu und nehme 22 Jellybeans, die mir eine Freundin geschenkt hat, nacheinander in den Mund. Keine Angst, das ist nicht eklig, sondern lecker! Sobald ich den Geschmack erkannt habe, tippe ich seinen Namen ein. Ach übrigens, wir spielen das Spiel auf Englisch, weil man das international so macht.
    Olga überflog den Text zur Kontrolle und sandte ihn ab. Vanille und Birne, rekapitulierte sie im Geiste die Aromen der ersten drei Bohnen, die sie im Schrank verzehrt hatte. Dann reihte sie die verbliebenen neunzehn vor sich auf, sortierte sie zu Häufchen gleicher Farbe und begann die Verkostung: Vanille, Birne, Schokolade, Apfel,Grapefruit, Melone. Von allen Worten nehmen wir nur den ersten Buchstaben. Aber nicht vergessen, dass wir auf Englisch spielen! Also C wie Chocolate, nicht S wie Schokolade! Habt ihr das kapiert?
    Sie schickte das zweite Posting ab. Auf die erste Veröffentlichung hatten schon drei Leser reagiert.
    »Bin gespannt!«, hieß der erste Kommentar.
    »Was soll der Quatsch, wir machen hier Mode und kein Kaloriensammeln!«, lautete der zweite schnippisch.
    »Apfel schmeckt verdammt nach diesem Shampoo, das einen in einen Obstbaum verwandeln will. Ich würde deshalb für Green Apple plädieren.«
    Das Posting kam von einem Kingfish. Sie kannte keinen Kingfish, er musste der Freund eines Freundes sein. Aber es gab keinen Grund, diesen Einwand zu übergehen, tatsächlich waren die Apfelbohnen giftgrün gefärbt. Also schrieb sie:
    Apfel ist vermutlich Green Apple. Und jetzt beginnt für euch das Scrabbeln! Ich will wissen, welche Worte sich aus diesen Buchstaben bilden lassen, und zwar ALLE ! Habt ihr mich da draußen verstanden? ALLE überhaupt ausdenkbaren Worte in ALLEN Sprachen der Welt, aber wahrscheinlich Deutsch oder Englisch. Ich zähl auf euch!
    Sie drückte auf den Update - Knopf.
    Wie lange es wohl dauern würde, bis sich herausstellte, ob ihre Idee genial oder nur blöde war?

[Menü]
    49
   Mellau (El Camino)
Dienstag, 27.   Juli, 22   :   00
    Im Kaminzimmer, dem einzigen Ort, an dem man im Schloss rauchen durfte, saßen zwei Männer beim Digestif.
    »Stimmt es, was mir Sergej berichtete?«, fragte Jewgenij Jacob Fünfgeld mit gefährlich ruhiger Stimme.
    »Kommt darauf an«, entgegnete sein Schweizer Sekretär.
    »Dass Sie ihn instruierten, diesem harmlosen Journalisten einen Zahn auszuschlagen?«
    »Nur eine kleine Warnung! Sergej scheint dafür immer einen Meißel dabeizuhaben.«
    Flüeli musste leise lachen. Dass man Problemen ihren Biss nahm, indem man dem Problemträger einen Zahn ausschlug, war für ihn neu. Im ehemaligen Ostblock praktizierte man unwiderstehliche Inkasso-Methoden. Sergej hatte

Weitere Kostenlose Bücher