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vorher tot war?«
»Wenn sie nicht schon vorher tot war«, bestätigte der Beamte. »Aber vielleicht war sie nicht tot, sondern nur bewusstlos? Rohypnol ist da ein alter Bekannter. Als K.-o.-Tropfen leicht zu applizieren, ohne dass es das Opfer merkt.«
Weinberger fletschte die Zähne: »Lassen Sie mich offen reden, Officer. Ich war lange bei der US – Air-Force. Ich kenne die Zwänge von Dienstanweisungen und offiziellen Abläufen. Sie tun, was Sie tun müssen, und Toggle Inc. wird Ihnen dabei keine Steine in den Weg legen.«
Der Beamte verzog keine Miene. Ähnliche Ansprachen vernahm er öfter.
»Andererseits gibt es für uns keine andere Option, als von einem tragischen Unfall auszugehen. Und wenn ich sage keine , dann meine ich keine .«
»Es gibt immer andere Optionen.«
»Sehr richtig«, bekräftigte Weinberger. »Also keine!«
Jetzt blickte der Beamte etwas verwirrt von seinem Laptop auf. Weinberger grinste ihn frech an. »Ich nehme an, Sie haben noch nie vom digitalen Schatten gehört?«
Der Beamte schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht, jedenfalls nicht, bis ich vorhin einen Vortrag darüber hörte. Aber den Sachverhalt kenne ich natürlich schon länger.« Er deutete auf den Computer. »Ihr digitaler Schatten, Officer, ist ziemlich eindrucksvoll.«
»Das heißt?«
»Soll ich ihn Ihnen vorführen?«
Der Beamte zuckte kaum merklich mit den Lidern. Das reichte Weinberger. Es verriet Nervosität.
»Sie pokern zu viel«, sagte er trocken.
Pause.
Der Beamte räusperte sich. »Die Tote litt an Diabetes?«, fragte er. Weinberger nickte.
»Das lässt sich sicher einfach nachweisen?«
»Eine Sache von Sekunden. Die Krankheit selbst kann jede Arzthelferin diagnostizieren. Eine Lappalie.« Er seufzte theatralisch. »Essei denn, man kollabiert, während man sich in einem Bach die Füße kühlt.«
»Ich werde die Spur mit einer gewissen Präferenz verfolgen«, sagte der Beamte. Seine Miene ließ deutlich erkennen, dass er das Gespräch für beendet hielt.
»Sie werden sehen, es ergeben sich gar keine anderen Präferenzen! Wir bei Toggle sind Datenverarbeiter. Exakt ausgedrückt: Wir wissen, wie man Informationen präpariert. Viele Leute denken, es ginge uns darum, möglichst viele Informationen ans Tageslicht zu befördern. Weit gefehlt! In Wahrheit besteht die Kunst darin, Informationen von Irritationen zu unterscheiden und Letztere von den Kunden fernzuhalten. In bestimmten Ländern schließen wir bestimmte Suchanfragen von vornherein aus. Wir wollen die Bevölkerung nicht unnötig verwirren.«
Der Beamte stand auf und machte einen großen Schritt auf Weinberger zu. Beide Männer waren in etwa gleich groß. Der Beamte schwitzte, Weinberger roch aus dem Mund. Gegenseitig nahmen sie ihre aufdringliche physische Präsenz wahr.
»Die Spurensicherung wird auf keinerlei Irritationen stoßen«, fuhr Weinberger fort. »Im Gegensatz zu jenen Irritationen, die Ihr Vorgesetzter beim Anblick Ihres digitalen Schattens verspüren würde.«
Unvermittelt brach der Beamte den Imponierversuch wieder ab. »Verraten Sie mir Ihren Trick?«, fragte er resigniert. »Wir leben in Garmisch hinterm Berg.«
»Natürlich«, antwortete Weinberger großzügig. »Es ist gar kein Trick, sondern eine banale Sicherheitslücke. Ihr Browser ist geschwätzig. Wir haben uns einfach angeschaut, wer in den letzten beiden Stunden auf der Personalseite von Toggle Deutschland das Profil von Melissa Stockdale aufgerufen hat.«
»Und?«, fragte der Beamte.
»Von diesen sehr wenigen Aufrufen passte nur eine IP – Nummer in diese Gegend. Und bei der haben wir uns die History der letzten Monate angesehen.« Er hob drohend den Zeigefinger: »Wussten Sie nicht, dass Ihre persönliche Verlaufsliste von jedem Webmaster angesehen werden kann? Löschen Sie die History bei Ihrem Notebooknie? Das ist ziemlich fahrlässig. Jedenfalls wenn man so gerne online pokert wie Sie.«
»Könnte dienstlich gewesen sein.«
»Könnte! Könntekönntekönnte. Aber da waren auch noch ein paar andere Bedenklichkeiten in Ihrer History. Wieso muss man die Angebote von Kredithaien auf dem Bürolaptop recherchieren? Da sorgt man doch schon aus Selbstschutz für etwas mehr Diskretion.«
Der Beamte fluchte.
»Raten Sie mal, womit wir bei Toggle operieren, wenn’s wirklich darauf ankommt«, meinte Weinberger zutraulich. »Mit Papier und Bleistift. Vor Hackern kann man sich nicht schützen, und vor frustrierten Angestellten auch nicht. Aber wenn Angestellte Wikileaks
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