Tokio Killer - 02 - Die Rache
passende Modell dafür bin.» Mein Tonfall war eindringlicher, als ich beabsichtigt hatte.
«Von allen Menschen, die ich kenne, kommst du dieser Kreatur am nächsten. Was dich förmlich dazu prädestiniert, ihn zu jagen.»
«Was soll das heißen, ‹ihn zu jagen›?»
«Er bewegt sich sehr vorsichtig. Ist nicht leicht aufzuspüren. Ich habe gewisse Spuren, aber denen müsste nachgegangen werden.»
Ich trank von meinem Tee, überlegte. «Ich weiß nicht, Tatsu.»
«Ja?»
«Der erste Typ, der mit den vermeintlich legalen Geschäften, okay, das war Strategie. Das leuchtet mir ein. Aber dieser Bursche, der Hundekämpfer, der ist doch bloß ein Berg Muskeln.
Versuch doch lieber, an Yamaoto und die anderen Spitzenbosse ranzukommen.»
«Die ‹Spitzenbosse›, wie du sie nennst, sind schwer zu packen. Zu viele Leibwächter, zu viele Absicherungen, zu viel Öffentlichkeit. Vor allem Yamaoto hat seine Abwehr verstärkt, ich glaube, aus Angst, du könntest hinter ihm her sein, und jetzt ist er so gut abgeschirmt wie der Premierminister. Und selbst wenn man an sie rankäme – in den verschiedenen Splittergruppen gibt es viele wie sie, die nur darauf warten, ihren Platz einzunehmen. Die sind wie Haifischzähne. Schlag einen aus, und dahinter stehen zehn Reihen, um die Lücke zu füllen. Es ist schließlich gar nicht so schwer, ein Spitzenboss zu werden. Was braucht man schon dafür? Politisches Geschick, die Fähigkeit zur Schönfärberei und Gier. Nicht gerade ein seltenes Täterprofil.»
Er nahm einen Schluck Tee. «Außerdem ist dieser Mann kein gewöhnlicher Fußsoldat. Er ist skrupellos, er ist fähig, er ist gefürchtet. Ein ungewöhnlicher Mensch, dessen Verlust für seine Herren kein leichter Schlag wäre.»
«Na schön», sagte ich. «Was bietest du mir? Schließlich bin ich dir nicht verpflichtet.»
«Ich kann dir kein Geld bieten. Selbst wenn ich welches hätte, würde es wohl kaum an die Summen ranreichen, die dir Yamaoto und die CIA bezahlt haben.»
Möglicherweise wollte er mich mit der Bemerkung provozieren. Ich ging nicht darauf ein.
«Verzeih mir meine Offenheit, alter Freund, aber du bittest mich da, ein verflucht großes Risiko einzugehen. Schon allein der Aufenthalt in Tokio ist für mich riskant, das weißt du.»
Er sah mich an. Als er antwortete, sprach er ruhig, nachdrücklich. «Es sähe dir gar nicht ähnlich, davon auszugehen, dass Yamaoto und die CIA nur in Tokio für dich gefährlich sein könnten», sagte er.
Mir war nicht klar, worauf er hinauswollte. «Aber das Risiko ist dort am größten», erwiderte ich.
«Ich habe dir doch gesagt, dass Yamaoto seit eurer letzten Begegnung wesentlich vorsichtiger lebt. Er hat seine politischen Auftritte zusammengestrichen, er trainiert nicht mehr im Kodokan, er verlässt das Haus nur noch umgeben von Bodyguards. Ich denke, dass er diese neuen Einschränkungen nicht sonderlich schätzt. Ich denke sogar, dass er sie hasst. Und vor allem hasst er die Ursache dafür.»
«Du brauchst mir nicht zu erzählen, dass Yamaoto ein Motiv hat», sagte ich. «Ich weiß, was er am liebsten mit mir anstellen würde. Und dabei geht es nicht nur ums Geschäftliche. Er ist ein Mensch, der sich durch meine Mitwirkung am Diebstahl der Daten-CD bestimmt gedemütigt fühlt und deswegen noch immer stinkwütend auf mich ist. Er wird das nicht vergessen.»
«Ja? Und trotzdem kannst du nachts noch ruhig schlafen?»
«Wenn ich wegen irgendetwas nicht mehr ruhig schlafen könnte, wären meine Tränensäcke so groß wie Sado Island. Außerdem, er kann von mir aus noch so ein triftiges Motiv haben. Ich werde ihm einfach keine Gelegenheit geben.»
Er nickte. «Davon bin ich überzeugt. Zumindest nicht freiwillig. Aber wie gesagt, ich bin nicht der Einzige, der Zugriff auf Juki Net hat.»
Ich sah ihn an, unsicher, ob das eine versteckte Drohung sein sollte. Tatsu ist immer sehr subtil.
«Was willst du mir damit sagen, Tatsu?»
«Nur dass Yamaoto dich genauso finden könnte, wie ich dich gefunden habe. Und nicht nur er ist hinter dir her. Wie du weißt, ist auch die CIA ganz versessen darauf, dich wieder besser kennen zu lernen.»
Er nahm einen Schluck Tee. «Wenn ich mich in deine Lage versetze, sehe ich zwei Möglichkeiten: Die eine ist, du bleibst in Japan, aber nicht in Tokio, und kehrst zu deinem alten Leben zurück. Das ist vielleicht der einfachere Weg, aber er ist nicht ganz so sicher.»
Wieder trank er einen Schluck. «Die zweite ist, du verlässt das Land und
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