Tokio Killer - 02 - Die Rache
Die Pride Fighting Champion-ship ist ein japanischer Wettbewerb mit verschiedenen Kampfsportarten, den Mixed Martial Arts oder MMA, und wird etwa alle zwei Monate im Fernsehen gezeigt. Dabei treten Vertreter traditioneller Kampfdisziplinen, also Boxen, Jiu-Jitsu, Judo, Karate, Kempo, Kung Fu, Muay Thai, Sambo und Wrestling, gegeneinander an. Die Pride-Wettkämpfe gewinnen zunehmend an Beliebtheit, genauso wie ähnliche Veranstaltungen in anderen Ländern, zum Beispiel «King of the Cage» in Großbritannien oder «The Ultimate Fighting Championship» in den Vereinigten Staaten. Der Sport stößt auf Widerstand bei Funktionären, denen es anscheinend weniger ausmacht, wenn ein Boxer im Ring bewusstlos geschlagen wird, als wenn ein MMA-Sportler im Aufgabegriff abklopft.
«Was hältst du davon?», fragte er.
Ich zuckte die Achseln. «Die Wettbewerbsteilnehmer sind stark.
Gute Reaktionen, gute Kondition. Und jede Menge Mut. Manches von dem, was ich gesehen habe, kam einem echten Kampf ganz schön nahe – es hat nicht viel gefehlt und man hätte nicht mehr von Sport sprechen können. Aber dieser Slogan, dass alles erlaubt sei, ist bloß Publicity. Solange Beißen, Augenbohren und Hodentritte nicht erlaubt sind und solange den Kämpfern keine Waffen griffbereit in den Ring gelegt werden, gibt es da noch Defizite.»
«Interessant, dass du das sagst. Denn der Mann, um den es hier geht, hat anscheinend dieselben Einwände gehabt. Er hat mit dem Sport aufgehört und sich auf illegale Kämpfe spezialisiert, bei denen wirklich alles erlaubt ist. Wo tatsächlich oft solange gekämpft wird, bis einer von beiden am Ende ist.»
Ich hatte schon von diesen Kämpfen gehört. War sogar mal jemandem begegnet, der an einem teilgenommen hatte, einem Amerikaner namens Tom, der eine Weile im Kodokan Judo trainierte. Er war ein hart aussehender, aber erstaunlich sprachgewandter Bursche, mit dem ich einige interessante und aufschlussreiche Gespräche über die Philosophie des unbewaffneten Kampfes führte. Ich hatte ihn im Judo besiegt, war aber nicht sicher, wie die Sache in einer weniger streng regulierten Umgebung ausgegangen wäre.
«Anscheinend war die fragliche Person bei diesen illegalen Kämpfen ungemein erfolgreich», sagte Tatsu. «Nicht bloß gegen andere Männer. Auch in Kämpfen gegen Tiere. Hunde.» «Hunde?», fragte ich verblüfft.
Er nickte mit grimmiger Miene. «Diese Veranstaltungen werden von der Yakuza organisiert. Es war unvermeidlich, dass die Fähigkeiten unseres Mannes, sein Hang zur Grausamkeit, den Organisatoren irgendwann auffielen, dass sie in ihm jemanden erkannten, der zu Höherem berufen war, als bloß für ein Preisgeld im Ring zu töten.»
Ich nickte. «Er könnte auch draußen in der Welt töten.» «Allerdings. Und genau das macht er seit einem Jahr.» «Du hast gesagt, er habe feinere Fähigkeiten.» «Ja. Ich glaube, er hat sich auf etwas spezialisiert, das ich für deine alleinige Domäne gehalten hatte.»
Ich sagte nichts.
«In den letzten sechs Monaten», fuhr er fort, «hat es zwei Todesfälle gegeben, offenbar durch Selbstmord. Die Opfer waren Topmanager bei Banken, die kurz vor einer Fusion standen. Wie es aussieht, sind beide vom Dach eines Gebäudes in den Tod gesprungen.»
Ich zuckte die Achseln. «Nach dem, was ich so über die Bilanzen der Banken gelesen habe, wundert mich, dass nur zwei gesprungen sind. Ich hätte eher mit fünfzig gerechnet.»
«Vor vielleicht zwanzig oder noch vor zehn Jahren wäre das auch der Fall gewesen. Aber die Sühne durch Selbstmord gibt es in Japan heutzutage nur noch als Ideal, kaum noch in der Realität.» Er trank einen Schluck von seinem Tee. «Mittlerweile hat sich die Entschuldigung nach amerikanischem Muster durchgesetzt.»
Er verzog das Gesicht. «Keiner der beiden Selbstmörder hinterließ einen Abschiedsbrief. Und ich habe herausgefunden, dass beide die Befürchtung hegten, die wahre Summe der Not leidenden Kredite der anderen Seite könnte erheblich höher sein als ausgewiesen.»
«Na und? Alle Welt weiß doch, dass die problematischen Kredite viel höher sind, als Banken oder Regierung zugeben wollen.»
«Stimmt. Aber diese Männer hatten gedroht, die strittigen Zahlen zu veröffentlichen, um eine Fusion zu blockieren, die keine gesunde Geschäftsgrundlage hatte, aber dennoch von einigen Elementen in der Regierung befürwortet wurde.»
«Offensichtlich kein kluger Schachzug.»
«Ich möchte dich etwas fragen», sagte er, wobei er mich
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