Tokio Killer - 02 - Die Rache
Hinsicht, dass ich vom Schlimmsten ausgehe. Auf diese Weise kann ich mich immer entschuldigen, falls ich falschgelegen habe. Oder Blumen schicken. Irrt man sich in die andere Richtung, bekommt man selbst die Blumen geschickt.
Beim Hinausgehen zog ich das Handy heraus und drückte die Kurzwahltaste. Als erstes fiel mir auf, dass der Trainingsraum leer war. Nur Murakami und seine beiden Schläger waren noch da, standen zwischen mir und der Tür. Meine Tasche hatten sie in der Nähe des Vordereingangs abgestellt. Ich sah die Pistole nicht, also hatten sie wohl nicht daran gedacht, während meiner kurzen Abwesenheit die Tasche zu durchsuchen.
«Was ist denn los?», fragte ich ganz beiläufig, als wäre ich zu blöd zu bemerken, dass irgendwas ganz und gar nicht stimmte, und als würde ich eine ehrliche Antwort von Murakami erwarten.
«Es ist alles in Ordnung», sagte er, und alle drei kamen auf mich zu. «Wir haben den anderen nur gesagt, sie sollen draußen warten, damit wir ungestört sind.»
«Ach so, okay», sagte ich. Ich hielt das Handy hoch. «Kann ich noch rasch telefonieren?»
«Später», sagte er.
Ich hoffte bloß, dass Tatsu und seine Männer in der Nähe waren. Sie müssten gleich um die Ecke sein, um mir noch nützen zu können.
«Wirklich nicht?», fragte ich und sah ihn an, wollte Zeit gewinnen, damit der Ruf durchging. «Dauert nur eine Minute.»
«Später», sagte er erneut. Die Bodyguards hatten rechts und links von ihm Aufstellung genommen.
Ich schielte nach unten und sah, dass die Verbindung hergestellt war. «Na schön», sagte ich achselzuckend. Ich schob die Hände in die Taschen – steckte das Telefon mit der linken Hand weg, umschloss den Türstopper mit der rechten. Ich würde warten, bis sie in Reichweite waren.
Aber sie blieben kurz außerhalb meiner Reichweite stehen. Ich betrachtete sie mit einem fragenden, einfältigen Blick, als wollte ich sagen: He, Jungs, was soll das Ganze?
Murakami beäugte mich einen Moment. Als er sprach, war seine Stimme ein tiefes Knurren. «Wir haben da ein Problem», sagte er.
«Ein Problem.»
«Ja. Und zwar das Problem, dass du gar nicht Arai heißt. Du heißt Rain.»
Ich ließ meine Augen angstvoll von einem Gesicht zum nächsten wandern, zum Ausgang, dann wieder zurück. Sie sollten denken, dass ich vielleicht versuchen würde abzuhauen. Was ich, wenn ich könnte, auch machen würde, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
«Packt ihn», sagte Murakami.
Der Mann links von mir hechtete vor. Ich war bereit. Ich hatte die Hände schon aus den Taschen gerissen, und jetzt streckte ich den linken Arm aus, als wollte ich ihn aufhalten. Er fiel darauf rein, packte meinen Unterarm mit beiden Händen, um ihn zu blockieren, während sein Partner von rechts angriff. Ich schob die Hand, die er festhalten wollte, über sein linkes Handgelenk, ergriff es und zog mich mit einem Ruck auf ihn zu. Er hatte damit gerechnet, dass ich in die entgegengesetzte Richtung ziehen würde, und konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren, um mich daran zu hindern, die Lücke zwischen uns zu schließen. Der Türstopper war bereits draußen, fest in meiner Faust, und die Schraubenspitze ragte zwischen meinem Mittel- und Zeigefinger vor, wie der tückischste Siegelring der Welt.
Ich stieß blitzartig über seinen blockierten linken Arm hinweg in seinen Hals, zielte auf eine Stelle knapp unterhalb des Kiefers. Es war kein kraftvoller Stoß, aber das war auch nicht erforderlich. Er sollte präzise sein, und das war er. Die Schraube drang wie eine Korkenzieherspitze ins Fleisch, und ehe er zurückweichen konnte, drehte ich sie nach unten und riss sie zurück. Er schrie auf und sprang weg, presste instinktiv die Hände auf den entstandenen Riss. Ein befriedigender Blutstrahl schoss zwischen seinen Fingern hervor, und ich wusste, dass ich die Halsschlagader getroffen hatte.
Er stieß einen entsetzlichen gurgelnden Laut aus und presste die Hände noch fester auf die Stelle, aber das Blut strömte weiter hinaus. Ich fuhr nach rechts herum. Sein Freund war schockiert von dem vielen Blut stehen geblieben, verstand nicht recht, was da passiert war. Ich nahm den Türstopper zwischen Daumen und Zeigefinger wie ein Messer, schwang ihn filmreif vor ihm hin und her, den Arm ausgestreckt, die Waffe viel zu weit von meinem Körper entfernt.
Als er begriff, dass ich keine Machete in der Hand hielt, versuchte er, das viel versprechende Ziel zu packen, das mein Arm darstellte. Ich ließ zu,
Weitere Kostenlose Bücher