Tokio Killer - 02 - Die Rache
war, dann zog er sein Handy heraus und sprach hinein, während der andere Polizist die Gasse absuchte.
Ich bemerkte, dass die Leiche keinerlei Verteidigungswunden aufwies – keine Schnitte an Händen oder Handgelenken. Er hatte nicht mal die Arme hochbekommen, um sich zu schützen, vom Abfeuern der Waffe ganz zu schweigen. Der arme Kerl. Mir wurde klar, dass seine Chancen besser gewesen wären, wenn ich das Messer nicht erwähnt hätte. Wahrscheinlich hatte er meine Warnung unbewusst als Beruhigung verstanden, dass ihm mit seiner Pistole nichts passieren könne. Ein weit verbreiteter Irrtum. Unter bestimmten Voraussetzungen, und eine schmale Gasse konnte dazugehören, war die Klinge der Kugel überlegen.
Tatsu richtete sich auf und sah mich an. Sein Tonfall war ruhig, aber ich sah die stille Wut in seinen Augen.
«Murakami?», fragte er.
Ich nickte.
«Die Männer da drin, sind das seine?»
Ich nickte erneut.
«Vor dem Haus parkt ein dicker Mercedes. Ich vermute, er ist damit gekommen und hatte vor, auch wieder damit zu fahren. Jetzt muss er auf Taxis und öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Das da» – er deutete auf den Toten – «wird ihn ganz schön mit Blut besudelt haben. Ich lasse die ganze Gegend absuchen. Vielleicht gelingt es uns, ihn aufzuspüren.»
«Das glaube ich nicht», sagte ich.
Seine Nasenflügel bebten. «Einer der beiden Männer, die ich drinnen gesehen habe, scheint vernehmungsfähig zu sein», sagte er. «Auch das wird uns weiterhelfen.»
«Waren Leute vor dem Haus, als ihr gekommen seid?», fragte ich. «Murakami hat alle rausgeschickt, kurz bevor ihr aufgetaucht seid.»
«Es standen ein paar Männer draußen herum», sagte er. «Sie sind abgehauen, als sie uns sahen. Im Augenblick können sie uns nichts nützen.»
«Das mit deinem Mann tut mir Leid», sagte ich zu ihm, weil mir nichts Besseres einfiel.
Er nickte langsam, und einen Moment lang schienen seine Gesichtszüge zu erschlaffen. «Er hieß Fujimori. Er war ein guter Mann, tüchtig und idealistisch. Das alles werde ich heute seiner Witwe sagen müssen.»
Er streckte sich, als müsse er sich sammeln. «Erzähl mir rasch, was passiert ist, und dann geh, bevor die anderen Beamten eintreffen.»
Ich tat es. Er lauschte ohne ein Wort. Als ich fertig war, sah er mich an: «Wir treffen uns heute Abend um sieben im Christie in Harajuku. Tauch nicht unter. Zwing mich nicht, dich finden zu müssen.»
Ich kannte das Christie, war oft dort gewesen, als ich noch in Tokio lebte. «Ich werde da sein», sagte ich.
«Wo ist die Pistole?»
«Drinnen. In einer Sporttasche, neben dem Vordereingang. Ich würde sie gern behalten.»
Er schüttelte den Kopf. «Man hat mich heute schon danach gefragt. Ich muss sie vorlegen können, sonst kriege ich Probleme. Vielleicht kann ich dir eine andere besorgen.»
«Tu das», sagte ich bei dem Gedanken daran, wie selbstsicher Murakami sein Kershaw-Messer gezückt hatte.
Er nickte, dann betrachtete er seinen getöteten Kameraden. Seine Kiefermuskulatur spannte sich, lockerte sich dann wieder. «Wenn ich ihn erwische», sagte er, «werde ich genau das mit ihm machen.»
17
I CH GING BIS ZUR K OTOTOI - DORI und nahm von dort ein Taxi. Mir war klar, dass Murakamis Leute, auch wenn sie durch die Ereignisse im Dojo vorübergehend abgelenkt waren, jetzt wussten, dass ich in Asakusa war, und die U-Bahn-Station hätte sich für einen Hinterhalt angeboten.
Bis zu dem Treffen, auf dem Tatsu bestanden hatte, waren es noch über sechs Stunden, und das eigenartige, orientierungslose Gefühl, nirgendwohin zu können und nichts zu tun zu haben, machte mir zu schaffen. Ich verspürte plötzlich etwas, was man als posttraumatische extreme Geilheitsstörung bezeichnen könnte, und überlegte, ob ich Naomi anrufen sollte. Sie müsste jetzt zu Hause sein, war vielleicht gerade wach geworden. Aber Murakami war hinter mir her, und deshalb wollte ich nirgendwohin, wo auch nur die geringste Chance bestand, dass ich erwartet werden könnte.
Mein Pager summte und zeigte eine Nummer, die ich nicht kannte.
Von einer Telefonzelle aus rief ich die Nummer an. Beim ersten Klingeln wurde abgehoben.
«Wissen Sie, wer hier spricht?», fragte eine Männerstimme auf Englisch.
Ich erkannte die Stimme. Es war Kanezaki.
«Bitte, hören Sie sich einfach an, was ich zu sagen habe», sprach er weiter. «Legen Sie nicht auf.»
«Wo haben Sie diese Nummer her?», fragte ich.
«Telefongesellschaft – Anrufe von
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