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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier.
    Er kam zehn Minuten später mit dem Taxi, allein. Er stieg aus und wartete, wusste genau, dass ich ihn erst eine Weile beobachten wollte, bevor ich mich zeigte.
    Ich ging in einem weiten Bogen um ihn herum, nutzte Taxis und Fußgänger als Sichtschutz, näherte mich ihm dann aus seinem toten Winkel. Doch er drehte sich um, ehe ich nah genug dran war, um ta-da zu sagen. Glück gehabt.
    »He«, sagte er und lächelte. Er streckte mir die Hand hin, und ich nahm sie.
    »Verschwinden wir von hier«, sagte ich. »Ich glaube zwar nicht, dass die japanische Regierung viel Zeit damit vergeudet, euch CIA-Typen zu beschatten, aber nur für alle Fälle.«
    Wir verbrachten eine halbe Stunde damit, uns zu vergewissern, dass wir allein waren, und gingen
    dann im Stadtteil Minami Aoyama ins Tsuta, einen Coffeeshop, in dem ich früher Stammgast war. Das letzte Mal war ich mit Midori hier gewesen. Es war ein schöner Nachmittag gewesen, seltsam unter den Umständen, aber voller verrückter und unkluger Verheißung. Und so lange her.
    Wir nahmen einander gegenüber an einem Zweiertisch Platz und bestellten Espresso. Ich musterte ihn. Es war ein Jahr her, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, und er wirkte jetzt älter, reifer. Er strahlte ein Selbstvertrauen aus, das er vorher nicht gehabt hatte, eine neue Präsenz, eine Art Gewicht. Kanezaki war, so wurde mir klar, kein junger Schnösel mehr. Er hatte bei seiner Arbeit mit ernsten Angelegenheiten zu tun, und diese Arbeit wiederum hatte ihn geprägt. Um Dox' Lieblingsphilosoph zu bemühen: Wenn du lange genug in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
    Wir plauderten eine Weile über dies und das. Am Tisch neben uns saßen zwei ältere japanische Frauen. Ich glaubte nicht, dass sie genug Englisch konnten, um etwas von der Unterhaltung zwischen Kanezaki und mir zu verstehen - ich glaubte nicht mal, dass sie viel hören konnten -, aber wir sprachen trotzdem leise.
    Sobald unser Espresso da war, sagte ich: »Ich finde, Sie sollten mir langsam reinen Wein einschenken.«
    Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse, nickte anerkennend und sagte: »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    Ich wusste, er würde am Ende mit der Sprache herausrücken. Ich wusste auch, dass er es mir nicht leicht machen wollte: Ich sollte darum kämpfen, damit ich das Gefühl hatte, ich hätte etwas gewonnen, die ihm endlockten Informationen seien wertvoll. Es wäre mir lieber, wir könnten das Getue überspringen, aber so lief das immer bei Kanezaki.
    Na, vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, die Sache zu beschleunigen. »Es ist wahrscheinlich nur ein Zufall«, sagte ich, »aber jedes Mal, wenn wir in den letzten Tagen miteinander gesprochen oder korrespondiert haben, stand das, was ich Ihnen mitgeteilt hatte, direkt danach in der Washington Post.«
    Er sagte nichts, aber ich nahm den Anflug eines selbstzufriedenen Lächelns wahr.
    »Also«, sagte ich, »wenn ich Ihnen erzählen soll, was in Manila und gerade eben in Hongkong passiert ist, müssen Sie anfangen.«
    Ich nahm meinen Espresso und lehnte mich zurück. Ich ließ mein Gesicht einen Moment lang von dem Aroma umspielen, dann nahm ich einen Schluck. Ah, war der gut. Stark, aber nicht zu stark; bitter, aber nicht überextrahiert; leicht, aber mit einem intensiven Spiel der Geschmacksnoten. Ich habe Kaffee in Paris, Rom und Rio getrunken. Ja, sogar in Seattle, wo die Bohne eine Art Religion ist. Aber für mich ist und bleibt das Tsuta unübertroffen.
    Kanezaki ließ sich lange Zeit, um mir noch deutlicher zu vermitteln, dass er nur unter Druck mit der Sprache herausrückte. Ich hatte meinen Espresso halb leer, als er endlich sagte: »Woher wissen Sie von der Sache in Hongkong?«
    Ich wusste, dass er klein beigeben würde, und konnte ein Lächeln kaum unterdrücken. Ich sagte: »Weil ich gerade von da komme.«
    Er blickte mich an und sagte: »Heiliger Strohsack.«
    »Also? Diesmal fangen Sie an.«
    Er seufzte. »In Ordnung. Hilger hatte eine private Operation laufen.«
    »Was soll das heißen, >privat    »Ich muss mich korrigieren. Ich hätte sagen sollen >halb privat<. Wie die Post: privat, aber staatlich subventioniert.«
    Er trank einen Schluck von seinem Espresso. »Was sind Geheimdienstinformationen für die politischen Entscheidungsträger? Doch bloß ein Produkt. Mann, selbst in unserer Branche sprechen wir von >Produkt<. Die politischen Entscheidungsträger nennen wir >Verbraucher<. Und

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