Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
was wollen alle Verbraucher?«
»Niedrige Preise?«, spekulierte ich.
Er lachte kurz auf. »Und wenn der Verbraucher so reich ist, dass der Preis keine Rolle spielt?«
»Dann eine große Auswahl«, sagte ich.
Er nickte. »Genau. Und wenn das Angebot in einem Laden nicht zufriedenstellend ist, gibt man sein Geld woanders aus. Was hat denn das Weiße Haus beispielsweise im Vorfeld des Irak-Kriegs gemacht? Weil denen nicht gefiel, was die CIA ihnen erzählt hat, haben sie eine Pentagon-Einheit eingerichtet und stattdessen dort eingekauft.«
»Dann hat Hilger also ... «
»Sie müssen sich das so vorstellen: Die Basis für einen nach Wettbewerbsprinzipien funktionierenden, freien Markt für Geheimdienstinformationen ist vorhanden. Ungeachtet der gesetzlich geregelten Strukturen werden sich Entscheidungsträger immer auch an unabhängige Splittergruppen wenden, um die Erfordernisse bei politischen Entscheidungsfindungen zu erfüllen, und wenn es keine entsprechenden Splittergruppen gibt, bauen sie sie auf.«
Ich nippte an meinem Espresso. »Ist Hilger sozusagen eine von diesen Splittergruppen?«
Er nickte. »Der ist seit fast einem Jahrzehnt dabei, sein eigenes Netzwerk aufzubauen. In gewisser Weise hat er einen privatisierten Geheimdienst geschaffen, und sein Produkt ist gut. Inzwischen greifen schon viele Entscheidungsträger darauf zurück.«
»Was ist passiert, ist die CIA eifersüchtig geworden?«
»Darum geht's nicht. Klar, er konnte Dinge machen, die die Agency sich nicht erlauben kann - schon allein weil keiner ihm auf die Finger schaut. Aber genau das ist das Problem. Er ist praktisch eine eigene unabhängige außerbehördliche Institution.«
»Und wieso sitzen Sie jetzt hier mit mir?«
Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Hilger war korrupt. Und ich rede nicht nur von den zwei Millionen Dollar, die er sich letztes Jahr bei der Kwai-Chung-Sache unter den Nagel gerissen hat. Ich rede von sehr viel mehr. Erinnern Sie sich an den US-Diplomaten, der vor ein paar Jahren in Amman ermordet wurde?«
Ich nickte.
»Das war Hilger, um sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen.«
Das deckte sich mit dem Gespräch, das ich im China Club belauscht hatte. Ich nickte.
»Hören Sie«, sagte er, »was glauben Sie, warum es für uns so schwer ist, terroristische Zellen zu infiltrieren? Weil es einen simplen Aufnahmetest gibt: einen hochkarätigen Amerikaner töten oder irgendeine andere Gräueltat verüben. Wer dazu in der Lage ist, ist drin. Tja, die CIA ist dazu nicht in der Lage.«
»Hilger aber anscheinend doch.«
»O ja. Hilger hat sich Zugang zu Terroristen verschafft, indem er zum Terroristen geworden ist.
Die Sache in Jordanien, Geschäfte mit diesem Belghazi, den Sie letztes Jahr eliminiert haben, illegale Waffengeschäfte, Geldwäsche ... Mir liegen Beweise vor, dass er im Voraus über den Bombenanschlag in Bali informiert war. Zweihundert Menschen kamen dabei ums Leben. Auch über die beiden Anschläge in Jakarta. Glauben Sie, er kann sich nach alldem überhaupt noch erinnern, wer er war oder was er ursprünglich wollte?«
»Ich weiß es nicht.«
»Das ist so ähnlich wie Nixons >Madman<-Theorie. Die Leute sollen dich für verrückt halten, also musst du anfangen, verrückte Sachen zu machen. Was wiederum heißt, dass du genauso gut auch verrückt sein könntest. Wo ist da der Unterschied?«
»Sagen Sie mir, warum Sie Informationen an die Washington Post gegeben haben.«
Er zuckte die Achseln. »Ich musste Druck auf Hilgers Netzwerk ausüben. Publicity ist ein Druckmittel.«
»In dem ersten Artikel hieß es, die Männer waren Spione, nicht Exspione.«
»Sie waren Exspione, wie ich es Ihnen gesagt habe. Aber da sie laut diesem Artikel noch aktiv waren, musste Langley mehr Fragen beantworten und Hilger wurde stärker unter Druck gesetzt."
"Die gut unterrichtete Quelle, die in den Artikeln erwähnt wird, waren dann also ...«
»Genau, Sie sprechen mit ihr.«
Ich nickte anerkennend. »Was ist mit >Gird Enterprises"
"Eine von Hilgers Scheinfirmen, glaube ich. Wir werden es schon bald erfahren. Die Medien stürzen sich gerade drauf."
"Weil Sie denen was gesteckt haben.«
»Natürlich«, sagte er und hörte sich für einen Moment nicht nur so ähnlich an wie Tatsu, sondern sah auch noch so aus.
»Sind Sie sicher, dass es richtig war, Hilger rauszukegeln?«, fragte ich. »Er ist ziemlich nahe an diesen Al-Jib rangekommen ... «
»Ali Al-Jib?«, fragte er mit großen Augen. »Gibt's noch
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