Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
mich schließlich auch schon mal warten lassen.
Ich stieg am Kowloon-Bahnhof in den Airport Express und rief Dox an, als ich ankam. Er war schon da. Wir trafen uns auf der Abflugebene, vor dem Schalter von United Airlines. Er trug noch immer den Anzug, in jeder Hand einen Aktenkoffer.
Er grinste, als ich auf ihn zukam. »Ich glaube, der hier gehört dir«, sagte er und reichte ihn mir. »Hab ihn neben einem Müllcontainer gefunden, vor dem Bank-of-China-Gebäude, als ich rauskam. Es sei denn, du wolltest ihn wegwerfen ... «
»Nein, ich wollte bloß Ballast loswerden, als ich Al-Jib verfolgt habe. Ich bin froh, ihn wiederzuhaben. Reisende ohne Gepäck fallen auf.«
»Und wir wissen ja alle, wie wichtig es für dich ist, nicht aufzufallen«, sagte er und blickte auf meinen Hals.
Ich sagte: »Was ist?«
Sein Grinsen erreichte galaktische Ausmaße. »Partner, ich glaube, das da an deinem Kragen ist Lippenstift. Du warst ein unartiger Junge. Und das, wo wir mitten in einer Operation stecken. Als Nächstes lässt du noch dein Handy an und versuchst, einen Katoey gefügig zu bumsen, und was weiß ich, was für Unbedachtheiten du noch alles anstellen wirst. Wenn du so weitermachst, kommt den Leuten noch der Verdacht, dass du doch nicht unfehlbar bist, und allein mir fällt dann die unangenehme Aufgabe zu, sie vom Gegenteil zu überzeugen.«
Meine Hand wanderte zu meinem Kragen. »Ich ... ich ... «
»Du musst mir nichts erklären. So ist man nach einem Gefecht, ich weiß. Ich wette, du bist diesmal sogar ohne Viagra ausgekommen.«
»Stimmt, ich hab einfach an Tiara gedacht.«
Er lachte. »Verflucht, das kannst du mir den Rest meines Lebens unterjubeln. He, glaubst du, die Israelis bezahlen uns, nach dem, was heute gelaufen ist?«
»Ich würde es ihnen dringend raten. Und sie sollten noch was drauflegen.«
»Ich bin sicher, Delilah wird sich für uns starkmachen. Sie ist eine nette Lady.«
»Ich weiß nicht, wie ihre Position jetzt sein wird. Sie muss bestimmt eine Menge Fragen beantworten.«
»Na, wenn bei ihren Leuten nichts mehr für sie drin ist, kann sie von mir aus gern zu unserem fröhlichen Team von Freischaffenden stoßen. Wie ich schon mal gesagt habe, wir sind die Welle der Zukunft. Die Nationalstaaten dieser Welt werden all ihre notwendigen Verteidigungsbedürfnisse einfach outsourcen, damit sie mehr Fernsehen gucken können, du wirst schon sehen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Delilah sich als Freischaffende wohlfühlen würde. Das passt nicht zu ihr.«
»Na, hoffen wir, dass sie nie vor die Entscheidung gestellt wird. Das ist kein glücklicher Augenblick im Leben eines Soldaten, wie du weißt.«
»Nein, das stimmt«, sagte ich.
»Und? Wo geht's jetzt hin?«
»Ich hab was in Tokio zu erledigen. Auf dem Weg hierher hab ich einen Asiana-Flug gebucht, mit Zwischenlandung in Seoul. Abflug ist...« Ich sah auf die Uhr. »Zu nachtschlafender Zeit. In zwei Stunden.«
»Was ist mit Rio? Wohnst du da noch?«
»Meistens. Ich flieg wahrscheinlich von Tokio aus wieder hin.«
»Vielleicht komm ich dich besuchen. Diese Brasilianerinnen ... Mannomann, wenn ich nur dran denke."
"Lass es lieber.« Er lachte.
»Ja, komm vorbei«, sagte ich. »Ich fänd's schön, dich zu sehen. Dann gehen wir wieder in eine Erwachsenenbar.«
Er lachte erneut. »Ja, gern. Das wäre toll.«
Wir schwiegen einen Moment. Dann fragte ich: »Und du? Wo willst du hin?«
»Ich glaub, ich besuch meine Eltern in den Staaten. Hab sie lange nicht gesehen. Sie fehlen mir.« Ich nickte, versuchte mir das vorzustellen. Ich hatte meine Eltern schon vor so vielen Jahren verloren, dass mir allein der Gedanke, Eltern zu besuchen oder überhaupt jemanden zu besuchen, fast fremd war. Aber vielleicht konnte ich ja einen Weg finden.
Ich sagte: »Sie haben einen guten Sohn.« Er strahlte. »Das haben sie. Und ich bin auch ein Glückspilz, dass ich sie habe.« Er sah auf seine Uhr. »Ich hab einen Cathay-Pacifio - Flug nach L. A. Die Maschine geht um dreiundzwanzig Uhr fünfunddreißig. Ich muss los.« Ich streckte ihm die Hand hin.
Er blickte mich an und sagte: »Alter, auch wenn ich kürzlich Mitglied beim >Verein für versehentliche Katoey-Liebschaften< geworden bin, kannst du mir ruhig noch deine Gefühle zeigen.«
Ach du Schande, dachte ich. Aber dann tat ich es doch, stand da und umarmte diesen riesigen Kerl mitten auf dem Flughafen.
21
ICH SCHLIEF WIE EIN T OTER auf dem Weg nach Seoul. Dort hatte ich fünf
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