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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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sind. Bei Jannick könnte ich das überwinden, aber falls andere Leute in der Nähe waren, wären sie wahrscheinlich wachsamer, als mir lieb war.
    Der Morgen bot die genau entgegengesetzte Palette von Risiken und Vorzügen. Einerseits sind die Leute, wenn sie zur Arbeit kommen, abgelenkt durch Gedanken an die Frühbesprechung, die zu erledigenden Aufgaben, daran, was für Nachrichten womöglich auf sie warten. Und Parkplätze sind morgens nicht bedrohlich, weshalb auch niemand groß auf seine Umgebung achtet. Aber wenn Jannick nicht ausgesprochen früh zur Arbeit kam, konnte ich wohl kaum mit der Ungestörtheit rechnen, die ich brauchte. Und dann waren da noch die vielen Fenster in den vielen Gebäuden … Mal ganz abgesehen von der Möglichkeit, dass mir einer von Hilgers Männern dort auflauerte, bestand das Risiko, dass ein Mitarbeiter zufällig im falschen Moment einen Blick auf den Parkplatz warf, und dann gäbe es für die ausgesprochen unnatürliche Art von Jannicks Ableben einen Augenzeugen. Hilger und ich hatten nicht darüber gesprochen, was passieren würde, falls Jannicks Tod ein Erfolg wäre, die Todesart jedoch ein Reinfall. Egal. Ich würde das Risiko nicht eingehen.
    Ich ging eine weitere knappe Meile die East Bayshore Road hinunter, um ein Gefühl für die Gegend zu entwickeln, ihre Rhythmen und Rituale, was hineinpasste und was ein wenig deplatziert wirken würde. Meinem Eindruck nach war das Viertel im Wandel begriffen – Bürogebäude am südlichen Ende, eine neue IKEA-Filiale und ein Einkaufszentrum nach dem anderen, eine Wohnwagensiedlung und Lagerhäuser dazwischen. Unauffälligkeit war hier nicht das Problem. Das Problem waren Zugang und Kontrolle.
    Ich überlegte, ob ich mich leicht verkleiden und Jannicks Gebäude betreten sollte. Im Innern gab es vielleicht Gelegenheiten – Toilette, Fitnesskeller, Materialraum. Irgendeine Örtlichkeit, wo ich einen ahnungslosen Jannick überrumpeln könnte und ausreichend Zeit hätte, um die Sache wie gewünscht zu erledigen. Aber es behagte mir ganz und gar nicht, eine Verbindung zwischen mir und seinem Arbeitsplatz herzustellen, schon gar nicht, wenn er da sterben würde.
    Ich ging zurück zum Mercedes und überquerte dabei erneut den Parkplatz. Jannicks Wagen war noch immer nicht da. Inzwischen war es dunkel, aber die Straßenlampen sorgten für genügend Licht. Ich würde einen besseren Platz finden müssen.
    Ich fuhr zurück zu Jannicks Haus. Noch immer kein Auto. Dann wieder hin und zurück. Ich änderte die Strecke jedes Mal etwas ab, und nach fünf Fahrten hatte ich ein einigermaßen gutes Gefühl für den Verlauf der Straßen, die Verkehrsmuster. Innerhalb dieses Straßenverlaufs und dieser Muster würden sich Möglichkeiten auftun. Das war immer so. Manchmal erkannte ich sie auf Anhieb, manchmal musste ich erst mal drüber schlafen und meinem Unterbewusstsein die Problemlösung überlassen.
    Schlafen. Ich musste am nächsten Morgen früh aufstehen, um auch ja rechtzeitig bei Jannick vor dem Haus zu sein, ehe er zur Arbeit fuhr. Und die Zeitverschiebung nagte allmählich an mir. Es war Zeit, Feierabend zu machen.
    Ich hielt vor einer Telefonzelle an einer Tankstelle und schlug die Gelben Seiten auf, wo ich ein Hotel namens Stanford Park fand. Im Nachbarort Menlo Park. Ich rief an und erfuhr zu meiner Freude, dass sie noch ein Zimmer frei hatten, eines mit französischem Bett und Kamin. Ein Nichtraucherzimmer, sagte der Mitarbeiter entschuldigend, vielleicht als Reaktion auf den japanischen Akzent, mit dem ich sprach. Kein Problem, versicherte ich ihm. Ein Nichtraucherzimmer sei mir recht. Es war nur für zwei Nächte frei? Auch das sei mir recht. Ich wollte ohnehin nicht länger in der Stadt bleiben.
    Ich löschte meine Navi-Speicherungen im Auto, ehe ich in dem Hotel eincheckte, aß dann ausgezeichnet in einem Restaurant namens Café Borrone, etwa eine Meile die Straße hinunter: Salat, Lasagne und dazu einen wunderbaren Napa Valley Cabernet namens Emilio’s Terrace, den ich dank der Globalisierung im Jahr zuvor in Bangkok entdeckt hatte. Das Restaurant selbst war quirlig, eine größere, rauchfreie kalifornische Version von einigen Cafés, die mir am linken Seine-Ufer gefielen. Gleich nebenan war eine große Buchhandlung, Kepler’s, in der ich nach dem Essen eine Weile herumschlenderte, Leute beobachtete, Einzelheiten in mich aufsaugte. Alle wirkten so wohlhabend und zufrieden und gutgesinnt. Ich kam mir vor wie ein Fremdkörper, ein Virus

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