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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Landsmann, davon überzeugen, dass er nur ein missverstandener Geschäftsmann war, dass die ganze Sache also lediglich falsch dargestellt worden war.
    »Viktors Version klingt da aber ganz anders«, warf ich ein, obwohl das nicht ganz stimmte. »Er sagt, dass Sie der Mann fürs Grobe seien, die Mädchen belügen und ihnen das Geld wegnehmen. Rufen Sie ihn doch an, wenn Sie mir nicht glauben – hier ist seine Nummer.« Dabei reichte ich ihm mein Handy mit Viktors Nummer auf dem Display.
    Das brachte ihn doch etwas aus dem Gleichgewicht, er fluchte unterdrückt, spielte mit seinem Pferdeschwanz und blähte die Backen auf. »Viktor ist ein verdammter Lügner«, knurrte er nach einer Weile und mahlte dabei mit den Zähnen.
    Dann entschloss er sich dazu, auszupacken. Als er fertig war, hatten wir genug Stoff für den Artikel. Er hatte zugegeben, Pässe wegzunehmen, gelegentlich Zwang auszuüben, ein Zuhälter für Ausländerinnen zu sein und japanische Gesetze zu brechen.
    Der Artikel erschien am 8. Februar 2004 in der Morgenausgabe. Die Reaktion innerhalb der Yomiuri war gut, und ich war begeistert. In meiner Naivität erwartete ich, dass jetzt etwas geschehen werde – dass vielleicht sogar die Gerechtigkeit siegen würde.
    Wie konnte ich nur so dumm sein! Glaubte ich wirklich, dass die Tokioter Polizei Slick und Viktor verhaften, ihre Clubs schließen und die Frauen befreien würde?
    Slim, der Leiter der neu geschaffenen Abteilung eins des Dezernats für das organisierte Verbrechen – er war dem Pensionsalter nahe –, hatte meist mit illegalen Ehen und illegaler Einwanderung zu tun. Nachdem er den Artikel gelesen hatte, rief er mich an, weil er mit mir darüber reden wollte.
    Aufgeregt packte ich meine Akten, meine Notizen und meine Telefonnummern zusammen und ging um zehn Uhr morgens in Slims Büro.
    Er war sehr freundlich. »Gute Arbeit, Jake. Ein sehr interessanter
Artikel.«
    »Danke«, gab ich selbstzufrieden zurück. »Werden Sie gegen diese Ganoven vorgehen?«
    »Das würde ich wirklich gerne tun. Glauben Sie denn, dass eine dieser Frauen mit mir reden würde?«
    »Das lässt sich sicher arrangieren. Aber Sie müssen sie dann natürlich schützen.«
    »Ich fürchte, wir müssen sie eher festnehmen und ausweisen, weil sie keine Arbeitserlaubnis hat, sondern nur ein Touristenvisum. Aber aufgrund ihrer Zeugenaussage könnten wir die zwei Kerle immerhin wegen des Verstoßes gegen die Einreisebestimmungen und vielleicht wegen einiger anderer Delikte verhaften. Dann könnten wir ihren Laden dichtmachen.«
    Das gefiel mir gar nicht. »Aber warum müssen Sie die Frau denn festnehmen? Glauben Sie ernsthaft, dass jemand mit Ihnen redet, wenn ihm dafür Gefängnis blüht?«
    »Tja, so ist nun mal das Gesetz. Und wir müssen die Gesetze befolgen.«
    Ich blätterte durch meine Akten und zog eine Anweisung der Landespolizeibehörde heraus. »Hier steht doch, dass alle Polizisten in Japan sich ernsthaft bemühen müssen, Menschenhandel zu unterbinden, und dass sie sich um die Opfer dieser Verbrecher kümmern sollen.«
    Slim schnaubte. »Jake, das ist doch purer Behördenquatsch. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Wir dürfen es einfach nicht ignorieren, wenn jemand hier illegal arbeitet, und wir dürfen niemanden schützen, nicht einmal die Opfer. Es gibt keine Kriterien, die jemanden als Opfer von Menschenhändlern erkennbar machen. Und darum ist es unmöglich, diese Leute anzuklagen. Die Opfer gelten als illegale Arbeiterinnen und werden zwangsweise abgeschoben. Da es dann keine Zeuginnen gibt, ist auch keine Anklage möglich. Wenn wir aber eine der Frauen, die von diesen Kerlen betrogen wurden, nicht festnehmen würden, dann wäre das eine grobe Pflichtverletzung.«
    Theoretisch konnte ich also eine Menge Frauen vor der Ausbeutung retten, aber dafür hätte ich meine Informantinnen, einschließlich Helena, verpfeifen müssen. Ich hätte sie opfern müssen, und das konnte ich nicht. Wütend und niedergeschlagen gab ich ihm Viktors und Slicks Telefonnummern, packte meine Sachen zusammen und wollte mich verabschieden.
    Da beugte sich Slim vor und flüsterte mir zu: »Wie ich sehe, gefällt Ihnen diese Situation nicht. Mir auch nicht. Es ist eine Art Sklaverei. Aber weil es Prostitution ist, sind wir nicht dafür zuständig. Ich kann nur gegen illegale Einwanderung oder Arbeit ohne Erlaubnis vorgehen, je nachdem, welches Visum diese Frauen haben. Menschenhandel fällt in eine Grauzone. Am besten reden Sie mit dem

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