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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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örtlichen Yakuza, die ihn windelweich prügelten, weil er in ihr Revier eingedrungen war.
    Ich hatte also doch etwas erreicht. Nein, besser gesagt hatten Helena und ich etwas erreicht. Denn sie war so mutig gewesen, den Kontakt zu mir zu suchen, und hatte härter als ich für die Geschichte gearbeitet. Es wäre nur gerecht gewesen, auch sie als Autorin zu nennen.
    Letztendlich hörten die Sexreisen zu den Malediven auf und Slicks Clubs wurden durchsucht und geschlossen. Der Gerechtigkeit war also doch zumindest ein wenig Genüge getan worden.
    Während ich an den Artikeln über Menschenhändler arbeitete, passierte etwas mit mir. Ich weiß nicht, wann und warum es passierte. Es fiel mir zunehmend schwer, mit den Opfern zu reden und dabei Distanz zu wahren. Ihre Geschichten gingen mir einfach nicht aus dem Kopf, und manche Bilder verfolgten mich ständig. Da war der magere, zahnlose, sechsjährige Sohn einer thailändischen Prostituierten, den sie nicht zum Zahnarzt bringen konnte, weil die Behörden dann hätten erfahren können, dass sie sich beide illegal in Japan aufhielten, und das wollten die Menschenhändler verhindern.
    Oder die Koreanerin, die ein Freier brutal zusammengeschlagen hatte. Dann hatte er noch Zigaretten auf ihren Brüsten ausgedrückt. Dieser Kerl, wahrscheinlich ein rangniedriger Yakuza, hatte sie zudem geschwängert und mit Aids angesteckt. Sie glaubte, dass sie von Gott verflucht sei, und es fiel mir schwer, ihr zu widersprechen.
    Oder die estnische Frau, die mit einer Sakeflasche geschändet worden war – und zwar so heftig, dass sie operiert werden musste. Der Grund: Sie hatte einen Kunden bespuckt.
    Und es gab noch viele andere.
    In fast allen Fällen wussten die Frauen nicht, wer sie missbraucht hatte, wo man sie festgehalten hatte und welche Japaner die Hände im Spiel hatten. Sie erinnerten sich zwar an ihr Leiden, konnten aber selten brauchbare Hinweise liefern, die zur Entlarvung der Verantwortlichen hätten führen können. Es war wie ein Kampf gegen Geister. Sobald ein Sexclubbesitzer verhaftet wurde, wurden die meisten Frauen wegen des Verstoßes gegen die Aufenthaltsbestimmungen abgeschoben, sodass für weitere Anklagen die Beweise fehlten. Als ich die Polizisten davon zu überzeugen versuchte, dass sie die Menschenhändler wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und anderen Delikten verhaften müssten, erwiderten sie bloß: »Dafür brauchen wir Beweise, und diese Frauen sind schlechte Zeuginnen, weil sie nicht japanisch sprechen. Außerdem haben sie illegal in Japan gearbeitet, was eine Straftat ist, und müssen daher abgeschoben werden. Aber sobald sie einmal abgeschoben sind, ist es schwer, noch Material für eine Anklage zu bekommen.«
    Es war ein Teufelskreis. Ich wusste, dass sich nur dann etwas ändern würde, wenn die Gesetze geändert würden, aber das war leider nicht zu erwarten.
    Ich versuchte alle nur möglichen Kontakte zu pflegen, um mit den Opfern sprechen zu können. Doch einerlei, wie sehr ich mich auch bemühte, ich fand nie viel über die Täter heraus. Dafür fehlten mir die Möglichkeiten und das Geld. Ich begann, enorme Beträge aus eigener Tasche auszugeben, um den Frauen zu helfen, die ich traf. Manchen verhalf ich zu einer Abtreibung, die in den Akten der
Klinik nicht auftauchte.
    Bezüglich Abtreibung war ich geteilter Meinung, aber ich fand, dass keine Frau gezwungen sein sollte, das Kind eines Mannes auszutragen, der sie vergewaltigt oder ihre widerwilligen Dienste gekauft hatte. Einige Male bezahlte ich auch Flugtickets. Ich tat, was ich konnte, und das widersprach natürlich jeglichen Regeln der Objektivität. Nimm dir die Dinge nicht zu sehr zu Herzen! Ich nahm sie mir sehr zu Herzen.
    Mit der Zeit verlor ich auch das Interesse an Sex. Er kam mir vulgär, abstoßend und brutal vor. Alles am Sex schien irgendwie unangenehm zu sein. Ich war nicht impotent, nur uninteressiert. Chronische Müdigkeit spielte dabei selbstverständlich auch eine Rolle.
    Natürlich hätte ich über all das mit meiner Frau reden sollen, aber ich tat es nicht. Wann auch, ich war ja kaum zu Hause. Ich rief abends an und sagte den Kindern gute Nacht. Manchmal schrieb ich meiner Frau während des Tages E-Mails, aber oft vergaß ich es. Allmählich baute ich eine Distanz auf und ich beobachtete diesen Prozess, als würde ich einen anderen Menschen beobachten. Vielleicht hätte ich es ihr erklären können, aber ich wollte nicht. Da sie sich nicht für meine Arbeit zu

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