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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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zurück und riet mir, woanders Arbeit zu suchen. Dann erlaubte er mir, von seinem Telefon aus meine Mutter und meine Tochter anzurufen. Ich beschwor sie, einen sicheren Ort aufzusuchen. Sie sagten, dass Viktor schon einmal angerufen habe. Am liebsten wäre ich sofort nach Hause gefahren, aber ich konnte nicht, weil ich kein Geld hatte.
    Also fragte ich in einem anderen Hostessenclub nach Arbeit, aber Viktor erfuhr sofort davon. Er kam in den Club und sagte: ›Du kannst nicht in Roppongi arbeiten. Ich habe dich in der Hand, und niemand wird einer undankbaren Hure wie dir einen Job geben.‹ Slick war auch dabei.
    Ich bin wirklich nicht nach Japan gekommen, um Prostituierte zu werden. Man hat mir Arbeit als Hostess versprochen. Da mir der Geschäftsführer mein Ticket und meinen Pass gegeben hatte, beschloss ich, am nächsten Tag wegzulaufen. Ich unterhielt mich mit ein paar Frauen, die in der gleichen Situation waren, und wir beschlossen, zur Polizei zu gehen. Aber letztlich hatten alle derart Angst, dass nichts daraus wurde. Sie fürchteten, verhaftet zu werden und dann die Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können. Außerdem wäre dann ein Anwalt nötig gewesen und alle wussten, wie furchtbar japanische Gefängnisse sind.
    Viktor ist unnachgiebig und Slick auch. Die Hölle wäre noch zu gut für sie. Sie veranstalten auch Sexreisen für Geschäftsleute. Bei den Malediven haben sie ein großes Schiff, und die Mädchen fahren als Begleiterinnen mit. Die Männer können jeden Abend mit einem anderen Mädchen ins Bett gehen, wenn sie wollen. Ein polnisches Mädchen hat mir von einer dieser Reisen erzählt. Man hatte ihr 200 000 Yen (2000 Dollar) für fünf Tage versprochen, aber auch ihr zog Viktor einen gewissen Betrag als Miete ab und zahlte ihr schließlich nur die Hälfte aus. ›Das war doch wie Urlaub für dich‹, meinte er. ›Und 100 000 Yen sind gut genug für eine Urlaubsreise.‹
    Ich verstehe nicht, dass die japanische Polizei das zulässt. Sie weiß doch, was da vor sich geht. Wahrscheinlich denken sie, dass alle Frauen, die nach Japan kommen, Prostituierte sind. Ich habe auch schon überlegt, in Polen zur Polizei zu gehen, wenn ich wieder zu Hause bin, aber ich habe solche Angst um meine Familie.
    Im November ist eine Russin namens Karina auf eine solche Reise mitgefahren, ich war auch dabei. Karina hat sich ständig mit den Kunden gestritten, aber eines Abends war sie einfach weg. Viktor sagte, dass sie Magenschmerzen vorgetäuscht habe und dann, nachdem sie sie auf der Insel ins Krankenhaus gebracht hätten, weggelaufen sei. Aber niemand glaubte ihm. Ich habe gesehen, wie sie auf Zehenspitzen aus dem Zimmer geschlichen ist, in dem sie die Nacht verbracht hatte, und es sah ganz bestimmt nicht so aus, als wolle sie weglaufen. Als sie dann nicht mehr kam, ging ich in ihr Zimmer. Sie war nicht da, aber neben dem Bett entdeckte ich Blut, und es sah aus, als habe jemand versucht, es zu entfernen. Es roch stark nach Putzmitteln. Natürlich bekam ich Angst, aber ich konnte niemanden fragen, das wäre zu gefährlich gewesen. Ich konnte nicht einmal mit den anderen Frauen darüber reden. Ein Mann an Bord gehörte zur japanischen Mafia. Am Tag nach Karinas Verschwinden hatte er eine tiefe Schnittwunde im Gesicht. Vielleicht hat sie sich ja gewehrt, und er hat sie dann getötet. Das glaube ich jedenfalls. Möglicherweise war es auch nur ein Zufall. Das würde ich gerne glauben.
    Nach der Reise haben sie mir ein bisschen zusätzliches Geld gegeben, wahrscheinlich eine Art Schweigegeld. Aber als alle wieder zu Hause waren, wollte sich sowieso niemand an diese schrecklichen Erlebnisse erinnern.
    Es hat auch keinen Sinn, zur Polizei zu gehen, denn die würden einen als Hure nicht ernst nehmen.
    Ich will mit keinem Mann mehr zusammen sein. Ich fühle mich nur noch schmutzig, nicht einmal mehr wie eine Frau, wie ein Nichts.«
    Veronika redete lange und ich machte mir Notizen. Ihr Bericht unterschied sich kaum von dem, was ich sonst so gehört hatte. Die Motive für die Reise nach Japan und einige Details waren unterschiedlich, aber die Geschichte war im Wesentlichen immer die gleiche.
    Am liebsten hätte ich mir sofort Viktor vorgenommen, aber dafür brauchte ich erst einmal seine Telefonnummer.
    Also verbrachte ich einen Abend im »Dispario« und bestellte Drinks für Kiki, das verrückteste israelische Mädchen, das ich je getroffen habe. Sie war Viktors ehemalige Freundin.
    Ich versuchte, ihr Viktors Nummer zu

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